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Geschichte Geschichte: Ex-Generäle der DDR erklären die Mauer

Von Jutta Schütz 20.05.2011, 11:32
Heinz Keßler (l.), ehemaliger DDR-Verteidigungsminister der DDR und sein früherer Stellvertreter Fritz Streletz präsentieren in Berlin ihr Buch «Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben». (FOTO: DPA)
Heinz Keßler (l.), ehemaliger DDR-Verteidigungsminister der DDR und sein früherer Stellvertreter Fritz Streletz präsentieren in Berlin ihr Buch «Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben». (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Braungebrannt vom letzten Kuba-Besuch, mitGoldrandbrille und hellem Anzug gab sich Ex-DDR-Militär FritzStreletz zackig. Der 84-Jährige stellte zusammen mit dem früherenDDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler am Freitag in Berlin dasgemeinsame Buch «Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben» vor. Währendbeide in einem Treff früherer Funktionäre im Stadtteil Lichtenbergden Mauerbau vor 50 Jahren als notwendig verteidigten, protestiertedraußen die Vereinigung der Opfer des Stalinismus.

Einstige Mitstreiter der Ex-Militärs waren dagegen begeistert vomAuftritt ihrer einstigen Chefs. Es gab Zwischenapplaus. «Störer» mitunliebsamen Fragen seien durch eine brillante Argumentationvertrieben worden, meinte einer stolz. Die Fronten waren klar: Aufder anderen Seite waren die «Hampelmänner von der Westpresse».

Der Zeitpunkt der Buchvorstellung war nicht zufällig gewählt. Aufden Tag genau vor 20 Jahren wurden Streletz und Keßler wegen ihrerMitverantwortung für die Mauertoten verhaftet und später zuGefängnisstrafen verurteilt, die sie aber nicht komplett absitzenmussten. An die Verhaftung wollten sie erinnern und dass sie hinterGittern wie Kriminelle behandelt worden seien. Und: Kurz vor dem 50.Jahrestag des Mauerbaus vom 13. August 1961 solle das Buch «derhistorischen Wahrheit Bahn brechen», wie der 91-jährige Keßler sagte.Der greise Ex-Armeegeneral, der schlecht sehen kann, zeigte sichüberzeugt: Es sei notwendig und richtig gewesen, die Grenze zu«befestigen». Ansonsten hätten sich die Konflikte zwischen dendamaligen Militärbündnissen in Ost und West weiter zugespitzt. Erwisse, dass «beträchtliche Teile» der Linkspartei seine Auffassungteilten.

Ansonsten führte Streletz das Wort. Die Grenze habe auch ausökonomischen Gründen geschlossen werden müssen. Bis zum Mauerbauseien 2,9 Millionen DDR-Bürger in den Westen gegangen. «Das war einkostenloser Zufluss von Humankapital für die BRD.» Zum Erhalt desFriedens in Europa seien «viele Härten, viel Leid und vieleUnannehmlichkeiten» unumgänglich gewesen. Jeder Tote an der Grenzesei einer zuviel gewesen, sagte der einstige Sekretär des NationalenDDR-Verteidigungsrates nicht besonders nachdenklich.

DDR-Soldaten hätten auf «Grenzverletzer» nur als «absoluteAusnahme» geschossen - zur «Verhinderung eines unrechtmäßigenGrenzdurchbruchs», so Streletz mit Überzeugung. «Es war das Ziel,Menschen zu schonen.» Er sei stolz, einen Beitrag zur Sicherung desFriedens und zu einer Wende ohne Blutvergießen geleistet zu haben,monologisierte der 84-Jährige weiter. Die Zahl der Mauertoten würdeaufgebauscht. Doch es sei nicht «unsere Art», die Totenaufzurechnen. «Dafür achten wir die Menschen viel zu sehr. Wir sinddem Humanismus verpflichtet.»

Für Streletz ist vieles «so genannt» - der Mauerbau, die Einheit,Gedenkstätten, die Bürgerrechtler. «20 Jahre danach werden Hetze,Verleumdung und Kriminalisierung der Grenztruppen unvermindertfortgesetzt», lautete das Fazit des Mannes, der nach eigenen Worten25 Jahre im Ministerium für Nationale Verteidigung für «besondereVorkommnisse an der Grenze» verantwortlich war. Streletz meinte, ersehe sich als ehemaliger sozialistischer Militär. «Ich kann aufrechtgehen und hadere nicht mit meinem Schicksal.» Seine galligeEinschätzung des wiedervereinigten Deutschlands: Zwei Gesellschaftenunter einem Dach - die Guten im Westen und die zum Teil Unbelehrbarenim Osten. Einen Zwischenruf, Streletz solle sich nicht als Opferdarstellen, wies er ab: «Gehen Sie doch raus, Sie zeigen gerade ihrwahres Gesicht.»

Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus äußerte sich entsetztüber die Glorifizierung der Vergangenheit. Keßler und Streletz seienverantwortlich, dass an der Grenze auf Menschen wie auf Hasengeschossen wurde, sagte Ronald Lässig. «Das war kein Schutzwall. DieMauer hat Menschen von der Freiheit abgeschreckt.» Am 13. August 1961wurde mit dem Mauerbau die deutsche Teilung besiegelt, die nach mehrals 28 Jahren erst am 9. November 1989 zu Ende ging.

Die Edition Ost aus der Eulenspiegel Verlagsgruppe, die den Bandherausgebracht hat, kann sich indes freuen. Die erste Auflage desMauerbuches sei bereits ausverkauft. In der nächsten Woche gebe esNachschub, sagte eine Sprecherin.

«Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben», Heinz Keßler und FritzStreletz, Edition Ost, 224 Seiten, ISBN 978-3-360-01825-0, 12,95 Euro