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Geschichte Geschichte: 500 000 Bundesbürger zogen in die DDR um

28.08.2009, 09:07
Erich Mielke, Erich Honecker, Heinz Hoffmann und Kurt Hager zum 30. Jahrestag der DDR 1979. (Foto: WDR)
Erich Mielke, Erich Honecker, Heinz Hoffmann und Kurt Hager zum 30. Jahrestag der DDR 1979. (Foto: WDR) WDR

Düsseldorf/Potsdam/dpa. - Rund 500 000 Bundesbürger sind zwischenStaatsgründung und Mauerfall in die DDR übergesiedelt. Dies fand derHistoriker Bernd Stöver von der Universität Potsdam nach rundsiebenjähriger Forschungsarbeit unter anderem in bisherverschlossenen Geheimdienstarchiven heraus. Der Wechsel von West nachOst sei bis heute «ein deutsch-deutsches Tabuthema», sagte Stöver amDonnerstagabend bei der Präsentation seiner Forschungsarbeit inDüsseldorf. Allerdings ermittelte der Wissenschaftler zwischen 1950und 1990 auch mehr als 5,2 Millionen «Zuzüge» aus der DDR in dieBundesrepublik.

Nach Stövers Erkenntnissen waren zwei Drittel der Bundesbürger,die Richtung Osten «rübergemacht» haben, Männer im Alter zwischen 15und 25 Jahren. Die meisten von ihnen seien Handwerker oder Arbeitergewesen. Sie seien - politisch naiv - häufig von den versprochenensozialen Besserstellungen wie Arbeitsgarantie oder geringe Mieten inder DDR angelockt worden. Da viele Übersiedler der frühen Jahre nochunter der NS-Diktatur aufgewachsen seien, hätten sie auch die«Zumutungen» des SED-Staates nicht schrecken können, sagte Stöver.

Andere trieben Schulden oder eine zu erwartende Gerichtsstrafe indie DDR. Auch ein erhoffter Studienplatz sei - wie etwa beim Linken-Parteichef Lothar Bisky - Grund für den Weg gen Osten gewesen, sagteder Potsdamer Wissenschaftler. Nur in vergleichsweise wenigen Fällenhätten direkt politische Gründe die Westdeutschen zur DDR-Übersiedlung veranlasst. Dies sei etwa bei dem Liedermacher WolfBiermann der Fall gewesen, den der antifaschistische Kurs der DDRüberzeugt habe, erklärte der Historiker.

Bei genauer Betrachtung der Übersiedlungsgründe sei der Weg derWestdeutschen in die DDR «kein Sonderfall der Migrationsgeschichte»,bei der in allen Zeiten grundsätzlich der Wunsch nach persönlicherBesserstellung sowie nach ökonomisch-sozialer Sicherheit imVordergrund stehe. Erst die ideologischen Auseinandersetzungen desKalten Krieges hätten dieses Phänomen politisch aufgeladen, betonteStöver. Die Zahl der Übersiedler nach Osten zeige aber auch, dass diepolitischen Kämpfe des Kalten Krieges im persönlichen Leben derDeutschen kaum eine Rolle gespielt hätten.

Die nach seinen Angaben erste Gesamtdarstellung der West-Ost-Wanderung hat der Potsdamer Historiker unter dem Titel «Zuflucht DDR»in der Reihe Historische Bibliothek der Düsseldorfer Gerda HenkelStiftung (Verlag C. H. Beck/24,90 Euro) vorgelegt. Im Mittelpunktstehen dabei auch individuelle Fälle vom Weggang in die DDR wie etwades Bundeswehrmajors Bruno Winzer, des Spions Günter Guillaume oderdes RAF-Mitgliedes Inge Viett.