Finanzminister Finanzminister: Ministerium im «Klima der Angst»

BERLIN/MZ. - Der Untergebene tat gesterndas, wozu sein Chef nicht den Mut gefundenhatte, als dieser krank war: Er nahm seinenHut. In einer E-Mail an BundesfinanzministerWolfgang Schäuble (CDU) schrieb sein SprecherMichael Offer, ihm sei klargeworden, dasser nicht das volle Vertrauen des Ministersgenieße. Schäuble akzeptierte. Bei einer Pressekonferenzaus Anlass der jüngsten Steuerschätzung hatteder Herr seinen Knecht getadelt, weil dieschriftliche Presseerklärung nicht mit Beginnder Pressekonferenz fertig geworden war (sieheText: Reden Sie nicht . . .) Nun sind beideschwer beschädigt.
Freundlicher Zeitgenosse
Der 51-jährige Offer ist ein ausgewiesenerFinanzexperte. Er arbeitete für den Finanzexpertender Fraktion und jetzigen ParlamentarischenStaatssekretär Steffen Kampeter (CDU), bevorSchäuble ihn berief. Offer ist im Übrigenein durchaus freundlicher Zeitgenosse, derbei seinen wöchentlichen Auftritten vor derBundespressekonferenz jedoch immer ein bisschengehemmt wirkte - offenbar auch deshalb, weiler sich der Unterstützung Schäubles nichtsicher sein konnte. Im Finanzministerium,so heißt es nämlich, herrsche ein "Klima derAngst".
Diese Angst hat man bei Offer, dem Schäublegestern "für seinen unermüdlichen Einsatzund seine Loyalität" dankte, spüren können.Für Schäuble ist die ganze Geschichte einSchlag ins Image-Kontor. Erstens wissen diemeisten Menschen, wie es ist, wenn man einenChef hat und von ihm abgebürstet wird. DieIdentifikation mit dem Knecht ist programmiert.Bei Youtube hat sich das Video längst zu einemHit entwickelt. Zweitens wissen Insider, dassder Zwischenfall einen durchaus typischenSchäuble zeigt. So heißt es etwa in der Führungder FDP seit geraumer Zeit, die Koalitionwürde "mit einem anderen Finanzminister weitausbesser funktionieren". Er spreche sich nichtmit anderen Kabinettsmitgliedern ab und versuchenie, im Vorhinein Verständnis für seine Vorhabenherzustellen.
Drittens hat Schäuble das Ansehen, das ersich zuletzt erarbeitet hatte, eigenhändigkaputt gemacht. Der Christdemokrat aus demLändle war ja nie besonders beliebt - auchnicht nach dem Attentat 1990. Schäuble hattekein Mitleid mit anderen. Und die anderenhatten kein Mitleid mit ihm. Das konnte manganz gut an der CDU-Spendenaffäre sehen, währendder er als Parteivorsitzender gehen musste.
Wohlwollen verspielt
Erst dem späten Schäuble ist Respekt,ja sogar Liebe zugewachsen. Die vielen Krankenhausaufenthaltedieses Jahres haben der Öffentlichkeit nocheinmal vor Augen geführt, wie sehr das Attentatihn verletzt hat und wie sehr er dagegen ankämpfenmuss. Sein Kampf hat zudem demonstriert, wieder Mann die Politik braucht. Sie ist seinLeben. Dieses Wohlwollen ist futsch.
Zwar unterstrich Unions-Fraktionsvize MichaelMeister gestern: "Mein Umgang mit WolfgangSchäuble war bisher sehr kollegial, anständigund freundlich." SPD-Fraktionsvize HubertusHeil sprach hingegen von "gutsherrlicher Art".Knecht Offer dürfte das wohl unterschreiben.