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Fernsehen Fernsehen: Gericht hebt einige Urteile gegen Contergan-Film auf

10.04.2007, 14:14
Star-Bassbariton Thomas Quasthoff (48) unterhält sich am 3. April in Berlin im Kulturkaufhaus Dussmann mit Kindern über klassische Musik. Der 48-Jährige wurde mit einer Schädigung durch das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan geboren. (Foto: dpa)
Star-Bassbariton Thomas Quasthoff (48) unterhält sich am 3. April in Berlin im Kulturkaufhaus Dussmann mit Kindern über klassische Musik. Der 48-Jährige wurde mit einer Schädigung durch das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan geboren. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Hamburg/dpa. - Trotz dieses Erfolges können derWestdeutsche Rundfunk (WDR) und die Produktionsfirma Zeitsprung denFilm in seiner jetzigen Fassung weiterhin nicht senden, weil nochnicht alle juristischen Hürden genommen sind. So hatte der klagendeContergan-Hersteller Grünenthal unabhängig von dem Berufungsverfahrenvor dem OLG Mitte März am Hamburger Landgericht zwei weitereeinstweilige Verfügungen gegen den Film erwirkt, über die noch nichtverhandelt worden ist.

WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf äußerte sich erfreutdarüber, dass das Gericht «den Weg für diesen wichtigen Film wiederweitgehend frei» gemacht habe: «Nun ist es auch in Zukunft möglich,zeithistorische Stoffe künstlerisch aufzuarbeiten», sagte er. DieKölner Produktionsfirma Zeitsprung zeigte sich optimistisch: «Wirgehen fest davon aus, dass wir den Film in diesem Jahr noch zeigenkönnen», sagte Justiziar Mirek Nitsch. Zeitsprung-Geschäftsführer undProduzent Michael Souvignier sagte: «Damit zeigt sich, was wir immergesagt haben: Unser Film ist im Kern historisch korrekt.» DerDeutsche Kulturrat sprach von einem «ersten Teilerfolg für dieKunstfreiheit». Die Vorsitzende Richterin machte aber deutlich, dasssich in dem Konflikt auch die Gegenseite teilweise durchgesetzt habe.

So sah sich auch die Grünenthal GmbH durch die Urteile und dieEinschätzung der Richterin bestätigt. «Es ist uns durch unserjuristisches Vorgehen bereits gelungen, mehrere unwahreSchlüsselszenen zu korrigieren oder herausnehmen zu lassen», erklärteGeschäftsführer Sebastian Wirtz. Angesichts noch weiterer anhängigerGerichtsverfahren sei Grünenthal bereit, sich mit den Filmemachern anden Verhandlungstisch zu setzen.

Der Film «Eine einzige Tablette» thematisiert die Affäre um dasSchlafmittel Contergan, nach dessen Einnahme tausende Frauen Ende der50er Jahre missgebildete Kinder geboren hatten. Die Aachener FirmaGrünenthal und ein betroffener Anwalt, an dessen Lebensgeschichtesich der Film anlehnt, klagten im vergangenen Sommer gegen dieAusstrahlung. Sie sahen in mehr als einem Dutzend Passagen desDrehbuchs eine Verdrehung der historischen Tatsachen und eineVerletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Das Hamburger Landgerichtfolgte auf der Grundlage des Drehbuchs ihrer Auffassung unduntersagte die Ausstrahlung des Films per einstweiliger Verfügung.

Das OLG änderte diese Urteile nach Ansicht des Films nun in großenTeilen. In dem fertigen Film waren einige Szenen des ursprünglichenDrehbuchs gestrichen oder verändert worden. «Insofern hat sich dieFirma Grünenthal in größerem Umfang durchgesetzt, als dies nunmehrden Anschein hat», sagte die Richterin. Auch der klagende Anwalt habeim Ergebnis zum Teil obsiegt, obwohl das OLG das Verbot desLandgerichts in seinem Falle ganz aufhob. Gegen die Urteile des OLGkönnen nach Angaben des Gerichts keine Rechtsmittel eingelegt werden.Trotzdem hält Grünenthal nach eigenen Angaben einen Antrag beimBundesverfassungsgericht zur Überprüfung der OLG-Urteile für denkbar.

Das OLG wertete den Film des renommierten Regisseurs AdolfWinkelmann («Jede Menge Kohle», «Die Abfahrer») als Kunstwerk. EinVerbot von Szenen sei daher nur bei einer schwerwiegenden Verletzungvon Persönlichkeitsrechten angebracht. Verboten wurden demnach nochPassagen, in denen Grünenthal «infame und skrupellose Methoden» inder damaligen Auseinandersetzung um das Schlafmittel Conterganunterstellt werden.