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Edmund Stoiber Edmund Stoiber: Regierung statt Pensionierung

Von Korrespondenten Markus Decker 27.09.2006, 16:50

Berlin/MZ. - Edmund Stoiber störte es kürzlich nicht weiter, dass sich Regierungschefin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck im Kanzleramt trafen - ohne ihn, den CSU-Chef. Ihm war es womöglich sogar ganz recht, nicht geladen worden zu sein. Denn die Große Koalition ist auf dem absteigenden Ast. Und da sitzt Stoiber überhaupt nicht gern. Was ein absteigender Ast ist, das weiß der Mann aus Wolfratshausen seit dem Ende des vorigen Jahres zur Genüge. Damals hatte er nach langem Hin und Her das Amt des Bundeswirtschaftsministers doch nicht antreten wollen. In Berlin nicht angekommen, München aber trotzdem schon hinter sich - plötzlich hockte der bayerische Ministerpräsident zwischen den Stühlen und galt sogar in den eigenen Reihen als vogelfrei.

Am Donnerstag wird Stoiber 65. Über die Jahre hat sich seine politische Grundarithmetik auf immer dieselbe Gleichung reduziert: Eigensucht plus Angst gleich Wankelmut. Da gelten Verlässlichkeit und Treue zu einem einmal gegebenen Wort am Ende nicht viel.

So hat der Bayer am 3. Juli mit am Tisch gesessen, als der Koalitionsausschuss die Eckpunkte der Gesundheitsreform beschloss. Kein Vierteljahr danach will Stoiber von eben diesen Eckpunkten nichts mehr hören. Denn im Freistaat haben sie später mal nachgerechnet und sind darauf gekommen, dass die Berliner Beschlüsse Bayern viel Geld kosten. Obendrein weiß Stoiber ganz genau: Ohne Gesundheitsreform ist die Koalition Millimeter vor dem Ende. Und er weiß, dass das auch Angela Merkel weiß.

Dass der Bayer auf ein Scheitern des Bündnisses aus Union und SPD hinarbeitet, dürfte übertrieben sein. Eine völlige Chaotisierung der Berliner Verhältnisse liegt nicht im Interesse der CSU. Gewiss ist hingegen, dass in Bayern im Herbst 2008 ein neuer Landtag gewählt wird. Und obwohl die CSU dort seit Jahrzehnten die Lederhosen anhat, hat die Regel doch Bestand: Je näher die bayerische Landtagswahl rückt, desto nervöser wird die CSU. Schließlich wollen die Christsozialen wie stets triumphieren - und verhindern, dass die allgemeine Berliner Verunsicherung auf München übergreift.

Es wirkt auf einmal wie ein Ausweis politischer Klugheit, dass Stoiber vor Jahresfrist den Umzug in die Hauptstadt scheute. Wenn er die Große Koalition auch nicht kippen will - die Erwartung, von ihr profitieren zu können, hat Stoiber längst hinter sich gelassen. Ende 2005 noch nahe am politischen Abgrund, will der Jubilar nun weiter bleiben, was er ist: Ministerpräsident des Freistaates Bayern.