Dreiländereck Dreiländereck: Sprit in Bogatynia und Lotto in Zittau

Zittau/dpa. - Mancherorts in der Europäischen Union braucht derFortschritt etwas länger. Zum Beispiel im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien. Als die EU am 1. Mai 2004 um zehn Staatenwuchs, war dieser Flecken kurzzeitig berühmt. Rundfunk- und TV-Senderaus 20 Ländern wollten miterleben, wie Deutsche, Polen und Tschechengemeinsam feierten. Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder(SPD) und seine Amtskollegen Vladimir Spidla (Tschechien) und LeszekMiller (Polen) jubelten, nachdem sie zuvor den Bau einer 3,6Kilometer langen Straße durch das Grenzgebiet freigegeben hatten.
Fünf Jahre später sind nur Fragmente des Straßenprojekts sichtbar.Die Deutschen haben ihren Anteil bis auf wenige Meter geschafft, auchauf tschechischem Gebiet ist viel geschehen. In Polen aber ist keinMeter Piste sichtbar. «Die Polen brauchen die Straße nicht. Sieverbindet doch nur zwei wichtige Straßen bei uns und in Tschechien»,sagt Rentner Udo Wendler. Er hat den «Dreiländerpunkt», wo 2004 unterdem Slogan «Sternstunden Europas» gefeiert wurde, von seinem Gartenim sächsischen Zittau aus im Blick. Seit damals weht hier neben denLänderfahnen auch die Europaflagge.
Ungeachtet der lückenhaften «Europastraße» fährt man spätestensseit Wegfall der Personenkontrollen Ende 2007 ungebremst zu denNachbarn. «Keiner bekommt mit, in welchem Land er eigentlich ist»,meint Zittaus Stadtsprecherin Ines Hirt. Ein Vorteil: Da Zittau ineinem Zipfel liegt, verkürzt sich der Arbeitsweg vieler Tschechen,die nach Liberec müssen: «Sie können eine halbe Stunde längerschlafen.»
Beim Gang durch Zittau wird klar, wie sehr die Stadt schon Europageworden ist. Auf dem Parkplatz am «Kaufland» stehen jede Menge Autosaus den Nachbarländern. Einzelhändler haben nun auch Stammkunden von«drüben». Elke Geißler, Inhaberin der Parfümerie «E & C», schwört aufPolinnen und Tschechinnen. «Die kaufen auch mal eine Creme für 90Euro.» In Birgit Eulers «Bella Moda Italia» greifen die Kundinnen vonauswärts gleichfalls nicht zu Billigware. Bei Lottomann Knut Gierthwird nicht selten international um den Jackpot gespielt.
Auf polnischer Seite ist bei Deutschen vor allem Sprit begehrt.Deshalb besitzt das kleine Örtchen Bogatynia eine ungewöhnlich hoheZapfsäulen-Dichte. Der Anbieter AB Tankstellen wirbt mit «DeutschemPersonal», «Deutschen Kraftstoffen» und «Anzeigen in Euro». «Alles 40Prozent billiger» lockt ein Schild. Manches ist in Deutschlandpreiswerter. Je nach Wechselkurs entscheiden Schnäppchenjäger ausallen drei Ländern, wo sich ein Einkauf besonders lohnt. Dabei endetdas Interesse keineswegs an der Ladenkasse.
«Die Menschen im Dreiländereck sind sich näher gekommen», sagtZittaus Oberbürgermeister Arnd Voigt. Die Leute gingen nicht mehr nurzum Einkaufen über die Grenze, sie nutzten auch die Freizeitangebote.Regelmäßig tagt der Gemeinsame Rat des Städteverbundes «KleinesDreieck» Bogatynia, Hrádek nad Nisou und Zittau. Dann geht es umVorhaben wie das Bürgerfest, das alljährlich um den 1. Mai herum anden EU-Beitritt erinnert. Schauplatz ist jener Punkt an der Neiße, andem die drei Länder zusammentreffen.
Negativ sieht Voigt die schleppende Umsetzung von Förderprogrammender EU. «Dadurch wird die Weiterentwicklung unserer Region starkgehemmt.» Manches klappt dagegen gut und läuft im Eiltempo - etwawenn deutsche Feuerwehrleute in Hràdek nad Nisou aushelfen oderumgekehrt. Als heilsam wird das Zusammenwachsen auch im KrankenhausZittau empfunden. Hier kommt bereits ein Drittel der Ärzte aus Polenund Tschechien. «Ohne sie hätten wir Engpässe in der Versorgung»,sagt eine Kliniksprecherin.