1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Die Flut - Ein Jahr danach: Die Flut - Ein Jahr danach: Öl machte das alte Haus unbewohnbar

Die Flut - Ein Jahr danach Die Flut - Ein Jahr danach: Öl machte das alte Haus unbewohnbar

Von Carla Hanus 19.08.2003, 20:36

Dessau/MZ. - "Zum 31. August sind wir eingezogen." Walter Berzaus Stimme lässt am Termin keine Zweifel aufkommen, der Blick auf die Baustelle seines Hauses in Dessau-Waldersee dagegen schon. Aber der 72-Jährige weist mit der Hand in Richtung Bauleute: "Die Jungs haben es mir versprochen." Seine Frau Christa ist etwas zurückhaltender. Gleichwohl teilt sie die Zuversicht ihres Mannes. Muss das wohl auch.

"Unsere Wohnung in der Stadt ist doch schon gekündigt, schon lange", sagt sie leise. Sie habe ihren Mann noch zurück halten wollen, weil es ihr zu vage erschien, sich auf den letzten Tag im August festzulegen. Doch das Heimweh überwog.

Dabei waren Berzaus vor knapp einem Jahr noch überzeugt, in der Walderseer Kreisstraße nicht mehr leben zu können. Da stand ihr Haus, in dem sie fünf Kinder groß gezogen hatten, etwa 1,80 Meter unter Wasser, war Öl aus der Heizungsanlage geflossen, trieb ein Baucontainer zwischen jeder Menge Holz auf ihrem Grundstück hin und her. Mit seinem Sohn im Schlauchboot war Walter Berzau da zum Grundstück gepaddelt. Von Mildensee her, einem anderen Stadtteil im Osten Dessaus, dessen Deiche das Wasser abgehalten hatten. Denn der eigentliche Ortseingang war gesperrt. Für alle Walderseer. Weil auf dem Wasser der Elbe Heizöl schwamm, mal zu einem breiigen Teppich zusammengetrieben, mal als fein schillernder Film. Immer aber stinkend.

Das Öl und dessen Geruch, das waren dann auch die eigentlichen Auslöser für Berzaus Entscheidung, ihr Haus abreißen zu lassen. Das Haus, in dem sie über 30 Jahre gelebt hatten, mit dem sie viele Erinnerungen verbanden. "Wir hatten es gerade noch einmal schön gemacht", lächelt Christa Berzau. Es ist das Lächeln einer schmerzenden schönen Erinnerung. "Die Küche war erst ein Jahr drin." Ihr Mann hat noch die Kosten im Kopf, die sie dafür bezahlt hatten, ebenso für das Dach und das Bad oder die Hofeinfahrt. Der Kredit läuft noch.

Jetzt hantiert der rüstige Rentner mit neuen Zahlen. Von einem Schaden von rund 155000 Euro spricht er. Ein Gutachten belege das. Da ist ihm die Spende des MZ-Unterstützungsverein "Wir helfen" willkommen, meint er, als er durch das entstehende Haus führt. Etwas kleiner als das vorherige fällt es aus, einen Keller hat es auch nicht mehr, aber Gasheizung lässt Berzau einbauen. Das mit dem Öl habe keiner ahnen können, sagt er. Im März hatte er noch 2000 Liter auffüllen lassen. Im August trieben auch diese durch den Ort. Ölwehren aus Bayern und Feuerwehren aus der Stadt und dem gesamten Bundesgebiet saugten sie samt Wasser ab.

Doch was in den Mauern steckte, was die Möbel verklebte, das blieb. "Wir haben die Töpfe abgespritzt und in den Geschirrspüler bei den Kindern gesteckt", sagt Christa Berzau. Gesehen habe sie keine Ölspuren mehr. "Aber ich hatte immer noch den Öl-Geschmack auf den Lippen", ekelt es die 65-Jährige bei dem Gedanken. Deshalb zogen die Berzaus aus. Das Grundstück blieb ihnen. "Für’n Appel und Ei verkaufen? Nee, das wollten wir nicht", sagt Walter Berzau energisch. "Und die Nachbarn haben gesagt, kommt bloß zurück", fügt seine Frau lächelnd hinzu.

Nun also bauen sie ein neues Haus. Wie die Nachbarn rechts und links neben ihnen, mit dem einen sogar bei einer Baufirma und immer sich gegenseitig helfend. "Damit wir wieder gemeinsam Geburtstage feiern können", freut sich die Rentnerin und blickt beschwörend, als sie sagt: "Am 31. sind wir drin."