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Debatte Debatte: Streit um soziales Pflichtjahr entbrennt

18.01.2004, 16:13
Ein Zivildienstleistender hilft in einem Alten- und Pflegheim einer Seniorin in einem Rollstuhl. (Foto: dpa)
Ein Zivildienstleistender hilft in einem Alten- und Pflegheim einer Seniorin in einem Rollstuhl. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Um die Einführung eines soziales Pflichtjahres inDeutschland ist neuer politischer Streit entbrannt. SPD-Politikerplädierten am Wochenende für ein solches Jahr, falls die Wehrpflichtund dann auch der Zivildienst abgeschafft würden. Dagegen setzen dieGrünen auf Freiwilligkeit. In der Union gehen die Meinungenauseinander.

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) lehnte jeglicheDienstpflicht ab. Das Grundgesetz lasse dafür keinen Spielraum. Nacheiner Umfrage ist die große Mehrheit der Deutschen aber für einsoziales Pflichtjahr. Der Paritätische Wohlfahrtsverband schlägt einfreiwilliges soziales Jahr als Zulassungsvoraussetzung für künftigeElite-Universitäten vor.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) sagteder «Bild am Sonntag»: «Ich halte das soziale Pflichtjahr für Männerund Frauen für erwägenswert, weil darüber nicht zuletzt Gemeinsinnund Verantwortung für unsere Gesellschaft gestärkt würden.» Ob einPflichtjahr aus rechtlichen Gründen möglich sei, müsse überprüftwerden. Niedersachsens SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel plädiertebenfalls dafür.

Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer sagte derZeitung: «Ich bin für ein soziales Jahr, denn es ist ein Instrumentzur gerechten Belastung innerhalb der Generationen und hilft,Probleme des Lebens aus einer anderen Sicht kennen zu lernen.» Baden-Württembergs Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU) betonte: «DerStaat kann jedem jungen Menschen - ob Mann oder Frau - ein paarMonate Dienst für die Gemeinschaft abverlangen. Deshalb plädiere ichfür die Einführung eines sozialen Pflichtjahrs für alle.»

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) und der Vorsitzende derCDU-Sozialausschüsse (CDA), Hermann-Josef Arentz, wandten sich gegenZwang. Der Innenpolitiker Bosbach sagte dem «Tagesspiegel» (Montag):«Einem Pflichtjahr stehe ich reserviert gegenüber.» Es sei besser,die freiwillige Bereitschaft zu fördern, als staatliche Pflichtenaufzuerlegen. Arentz sagte im Westdeutschen Rundfunk, sinnvoll könneniemand zu einem sozialen Dienst an Pflegebedürftigen oderBehinderten gezwungen werden. «Wer sich davor ekelt, der wird nie einFreund, ein Helfer, ein Partner sein.»

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck,sagte der dpa: «Die Grünen setzen auf ein freiwilliges soziales Jahrsowohl für junge Leute als auch für Arbeitnehmer, die am Ende ihresBerufslebens stehen.» Ein Pflichtjahr zwischen Schule und Studiumwiderspreche den Überlegungen, Akademikern einen früheren Eintrittins Erwerbsleben zu ermöglichen. «Wir müssen nun darüber diskutieren,wie wir das freiwillige Jahr attraktiv und flexibel in dieBildungskarriere einfügen können.»

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für die«Bild am Sonntag» und RTL sind 70 Prozent der Deutschen für einsoziales Pflichtjahr und nur 27 Prozent dagegen.