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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Wolfgang Schnur taucht schnell wieder auf

Von Anett Indyka 30.12.2010, 09:52

Berlin/dpa. - Wolfgang Schnur hätte beinahe der erste freigewählte Ministerpräsident der DDR werden können. Doch kurz vorder DDR-Volkskammerwahl im März 1990 wurde bekannt, dass der Anwalt, der bekannte DDR-Oppositionelle vertrat, für die Staatssicherheit gespitzelt hat.

Seitdem lebt der heute 66-Jährige eher zurückgezogen. 1996 wurdeer vom Berliner Landgericht verurteilt, weil er seine Mandanten Freya Klier und Stephan Krawczyk bei der Stasi angeschwärzt hatte. Deshalb war ihm auch schon seine Zulassung als Anwalt entzogen worden. Sein Geld verdiente Schnur fortan als juristischer Berater ehemaliger Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften und anderer Unternehmen. In einem Prozess um gefälschte Wertpapiere wurde er schließlich als Zeuge geladen, obwohl es auch gegen ihn einen Verdacht gegeben hatte.

Seitdem war es still um Schnur geworden, bis nach Weihnachtenbekannt wurde, dass sein Freund aus den Wendetagen, der Anwalt und letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel, öffentlich auf der Suche ihm war. Die Spur sollte nach Afrika führen. Von Geschäften mit «Goldstaub» war die Rede. Im Namen von Schnurs Familie und Freunden stellte Diestel ein Nachforschungsersuchen beim Auswärtigen Amt. «Da muss wohl etwas Schlimmes passiert sein», sagte Diestel, der nach eigenen Worten seit der Wende regelmäßig für Schnur als Anwalt gearbeitet hat, am Mittwoch.

Noch am selben Tag soll sich der Gesuchte in Diestels Bürogemeldet haben. Er habe aber selbst nicht mit ihm gesprochen, sagte der 58-Jährige am Donnerstag. Weitere Erklärungen hatte er zunächst nicht. Er wolle aber Kontakt mit Schnur aufnehmen. Schnur selbst zeigte sich in einem Zeitungsbericht überrascht über die Suche nach ihm. «Ich weiß gar nicht, was das soll», sagte er dem «Berliner Kurier» (Donnerstag).

Eine Sprecherin des Außenministeriums hatte am Tag davorbestätigt, dass das Auswärtige Amt mit dem Fall befasst sei undmit dem Rechtsanwalt in Kontakt stehe. Weitere Angaben machte sie mitHinweis auf die Privatsphäre nicht. Wäre Schnur im Ausland etwaspassiert, hätte dies das Auswärtige Amt möglicherweise schon gewusst.Üblicherweise wird dann der deutsche Botschafter des jeweiligenLandes von den dortigen Behörden informiert.

Der Amtsdirektor des Örtchens Schenkenländchen, Ulrich Arnts(parteilos), bestätigte der Nachrichtenagentur dpa unterdessen, dass Schnur mit seiner Ehefrau seit Jahren in Groß Köris (Dahme-Spreewald) lebt, zu dem Schenkenländchen gehört. Schnur sei ein unauffälliger und «ganz normaler Bürger». Er lebe etwas außerhalb des Ortes in einer schmucken Villa. Ein Sprecher des Schutzbereiches Dahme-Spreewald sagte, es liege keine Anfrage für ein Amtshilfeersuchen vor.

Schnur ist also nicht bei Goldgeschäften in Ghana verschwunden,aber wegen einer anderen Geldsache zumindest in der Bredouille. Von der Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen wird er wegen eines nicht bezahlten Knöllchens gesucht. Weil er trotz mehrmaliger Aufforderung den Strafzettel wegen einer Ordnungswidrigkeit in Höhe von 30 Euro nicht bezahlt hat, droht dem 66-Jährigen jetzt Erzwingungshaft, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Dortmund am Donnerstag. Allerdings könnte er das abwenden, wenn er nun das Knöllchen und die Folgekosten bezahlt. «Dass einer untertaucht wegen 30 Euro, das habe ich noch nicht erlebt. Das muss andere Gründe haben.» sagte die Sprecherin.

Die Geschichte Schnur könnte also spannend bleiben und vielleicht auch im Kanzleramt verfolgt werden. - Angela Merkel war in der Wendezeit Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs (DA), der von Schnur mitbegründet wurde und der auch mit Merkels Vater länger bekanntgewesen sein soll. Zusammen mit der Ost-CDU und der Deutschen Sozialen Union (DSU), die Diestel mit gründete, bildete der Demokratische Aufbruch die von Helmut Kohl unterstützte «Allianz für Deutschland». Das Parteienbündnis gewann schließlich die erste freie DDR-Volkskammerwahl und stellte den Ministerpräsidenten. Der hieß dann aber nicht Schnur, sondern Lothar de Maizière und ist der Cousin von Thomas de Maizière, dem heutigen Innenminister und Vertrauten Merkels.