Crystal Meth Crystal Meth: Längst nicht mehr nur Szene-Droge
Berlin - Crystal Meth – oder Glass, Ice, Piko, wie die Droge auch genannt wird – galt lange nur als billige, schmutzige Szene-Droge, die extrem schnell zu Abhängigkeit und körperlichem Verfall führt.
Nicht erst durch die unbestätigten Berichte, wonach die Polizei den Grünen-Politiker Volker Beck verdächtigt, eben dieses illegale Suchtmittel gekauft zu haben, weckten Zweifel an diesem Bild. Zuvor hatte bereits der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zugegeben, in einer Lebenskrise zu Crystal Meth gegriffen zu haben.
Hunger und Müdigkeit verschwinden
Das zeigt, betonten Drogenexperten, dass der gefährliche Stoff nicht mehr nur als Party-Droge konsumiert wird. „Wer Crystal Meth nimmt, will Euphorie und einen Rauschzustand erleben“, sagt Ingo Schäfer vom Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung an der Universität Hamburg. Schäfer hat für das Bundesgesundheitsministerium eine Studie geleitet, für die 2014 erstmals knapp 400 Abhängigen befragte. Die Droge wirke aufputschend und führe zu einer starken Dopamin-Ausschüttung im Gehirn. Hunger und Müdigkeit verschwinden, weshalb viele Süchtige oft tagelang wach bleiben. Gefährdet seien vor allem Menschen, die unter Erwartungsdruck stehen und funktionieren müssen und unter Selbstzweifeln leiden. Für einige sei auch die gesteigerte sexuelle Erregung ein Motiv, sagt Schäfer. „Das geht bei einigen sogar so weit, dass Sex ohne die Droge gar nicht mehr vorstellbar ist.“
Crystal Meth gehört zu den synthetischen Drogen mit dem chemischen Namen N-Methylamphetamin. Der Stoff hat sich innerhalb weniger Jahre rasant verbreitet, weil er besonders leicht herzustellen ist. Labore in Osteuropa, Asien oder Mexiko produzieren die Droge aus einfach zu beschaffenden Ausgangsstoffen, wie etwa Ephedrin, das in vielen Arzneimitteln enthalten ist. Süchtige schniefen, rauchen oder injizieren sich Meth, das meistens als Pulver und grobe Kristalle verkauft wird.
Die Zielgruppe wächst
Die Zahl der Konsumenten, die erstmals mit Crystal Meth auffielen, stieg 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 3138. Ansonsten gibt es bisher wenig repräsentative Zahlen über das Suchtverhalten von Meth-Abhängigen. Fest steht, dass die Droge vor allem aus Tschechien nach Deutschland kommt. Deshalb häufen sich die Fälle in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern.
Crystal wird hauptsächlich da verkauft, wo junge Leute sind: In Diskotheken, Clubs, Bars, in der U-Bahn, im Fitness-Studio und auf privaten Partys. Doch die Zielgruppe der Dealer hat sich erweitert, wie die Studie zeigt. Zwar wird Meth in erster Linie von Partygängern eingenommen, doch immerhin jeder Zweite der Befragten konsumiert die Droge auf der Arbeit, ebenso viele erleichtern sich die Hausarbeit mit den Kristallen, ein Viertel nimmt es in der Schule oder in einer anderen Ausbildungsstätte.
Sofort abhängig
Bereits beim ersten Konsumieren macht die Droge abhängig und greift den Körper nachhaltig an. Schon nach kurzer Zeit kann Crystal das Gehirn schädigen. Niere, Herz und Kreislauf werden angegriffen. Die Folge: Das Immunsystem bricht zusammen. Schleimhäute in Mund und Nase werden zersetzt, Zähne und Haare fallen aus. Hinzu kommen Angstzustände und Depressionen. Den meisten Menschen schießen bei dem Gedanken an Crystal Meth die abschreckenden Vorher-Nachher-Bilder von Abhängigen in den Sinn, deren Gesichter alle Nebenwirkungen auf einmal zu zeigen scheinen. Diese Fotos, die vor allem in Amerika verbreitet werden, halten viele Experten jedoch als nicht besonders hilfreich. „Sie verzerren mitunter die Realität und können dazu führen, dass Abhängige sich gerade nicht damit identifizieren und weitermachen“, sagt Schäfer.
Anders als in anderen Ländern, wo viele sich Süchtige ihren Stoff selbst herstellen, sei die Qualität von Crystal in Deutschland noch relativ gut. Einige Abhängige schaffen es so kontrolliert zu konsumieren, dass man es ihnen nicht sofort ansieht. „Bei dem Großteil wird es sich joch in einen intensiven Konsum steigern“, sagt Schäfer. Einmal abhängig, ist der Weg aus der Sucht kaum ohne professionelle Hilfe zu schaffen. Oft sind monatelange Klinikaufenthalte und mehrere Anläufe nötig, um clean zu werden.