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Buttersäure auf Minister-Wohnung Buttersäure auf Minister-Wohnung: Steigende Anzahl von Angriffen auf deutsche Politiker

Von Bernhard Honnigfort 25.11.2015, 09:46
Ein Polizeifahrzeug vor dem Wohnhaus des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU)
Ein Polizeifahrzeug vor dem Wohnhaus des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) dpa Lizenz

Berlin - Auch einen Tag nach dem Buttersäureanschlag auf die Wohnung des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow herrscht Rätselraten über die Täter und das Motiv. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen.
Unbekannte hatte in der Nacht zu Dienstag mit Pflastersteinen mehrere Fensterscheiben der Privatwohnung des 37-jährigen CDU-Politikers eingeworfen und anschließend versucht, stinkende Buttersäure durch das Loch im Fenster einzuwerfen, was nur teilweise gelang.

Gemkow war während des Anschlags mit seiner Familie zu Hause. Alle schliefen fest, niemand wurde verletzt. Gemkow hat zwei Kinder, das jüngste kam im August zur Welt.
Zeugen sahen nach der Tat gegen zwei Uhr nachts mehrere schwarz gekleidete Menschen weglaufen. Die Polizei suchte anschließend mit Hunden nach Spuren der Angreifer.

Sächsische Politiker quer durch die Bank verurteilten den Anschlag. Gemkow, seit einem Jahr im Ministeramt, sprach von einem "Angriff auf den Rechtsstaat als Ganzes". „Der Rechtsstaat wird aber längeren Atem haben als diejenigen, die ihn bekämpfen." Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen. Die CDU-Fraktion im sächsischen Landtag nannte die Tat „ekelerregend, abstoßend und an krimineller Energie kaum mehr zu überbieten".

Generell hohe Gewaltbereitschaft

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion, meinte, der Anschlag sei „ein neuer Tiefpunkt politischer Unkultur in Sachsen" und „Terror pur“. Angesichts zahlreicher Angriffe auf Asylunterkünfte, Flüchtlingshelfer, Journalisten und Polizisten sowie einer Serie von Zerstörungen an Abgeordneten- und Parteibüros seien längst alle Grenzen überschritten.

Leipzig ist in Sachsen eine Hochburg linksextremistischer Gewalt. Unbekannte hatten in den vergangenen Monaten mehrfach Polizeistationen angegriffen und Scheiben eingeschlagen. Vergangenen Sommer waren rund hundert vermummte Autonome randalierend und Steine werfend durch die Innenstadt gezogen. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hat deshalb „Linksextremisten“ für den Anschlag verantwortlich gemacht.

Politiker im Visier

Politiker haben in Sachsen mittlerweile einiges auszuhalten. Nach Auskunft des Innenministeriums sind 2015 bereits 18 Amtsträger mehrfach bedroht worden. Allein Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat dutzende Drohungen erhalten. In Freital wurde das Auto eines Linken-Politikers gesprengt. Angriffe auf Abgeordnetenbüros aller Parteien sind an der Tagesordnung. Das Bundestagsbüro der Linken-Politikerin Caren Lay in Hoyerswerda erwischte es 19 Mal in den vergangenen Jahren, Bürgerbüros oder Firmengebäude von AfD-Politikern wurden nach Angaben der Partei dieses Jahr 25 Mal angegriffen, das Büro von Parteichefin Frauke Petry erwischte es mehrere Male.

Auch die Privatsphäre von Politikern ist in Sachsen längst kein Tabu mehr. Vor dem Privathaus des Dresdner Oberbürgermeisters Dirk Hilbert (FDP) tauchten diese Woche spätabends rund 50 Gegner eines Flüchtlingsheims mit Lampions und Beschwerdebrief auf. Sie bauten sich vorm Gartenzaun auf und brüllten „Volksverräter“. Hilberts Kollege Jung in Leipzig beklagt seit längerem eine „vergiftete und verrohte politische Kultur“ im Lande.

Der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) ist diesmal das Opfer.
Der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) ist diesmal das Opfer.
dpa Lizenz