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Bundeswehr Bundeswehr: Das Trauma nach dem Kampfeinsatz

Von MARKUS DECKER 08.09.2011, 19:28

BERLIN/MZ. - Die einmalige Ausgleichszahlung für verletzte Zeitsoldaten soll von 15 000 auf 30 000 Euro steigen. Beides ist bei Fachleuten unumstritten. Strittig ist, wann ein im Einsatz verletzter Soldat von der Bundeswehr weiter beschäftigt werden muss. Die Regierung will an der Quote von 50 Prozent Erwerbsminderung festhalten. Das Parlament fordert 30 Prozent, um auch traumatisierten Soldaten besser helfen zu können. Sie erreichen die 50 Prozent oft nicht, sind auf dem Arbeitsmarkt aber schwer oder gar nicht vermittelbar, was eine Weiterbeschäftigung bei der Truppe zum alleinigen Rettungsanker macht.

Nun ist in die Debatte um das Gesetz durch neue Zahlen und einer Stellungnahme des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) neue Bewegung gekommen.

Die Zahlen sagen, dass sich die Belastung der Truppe bisher sehr in Grenzen hält. Seit Beginn der Auslandseinsätze der Bundeswehr im Juli 1992 wurde in 177 Fällen eine einmalige Entschädigung nach dem Einsatzversorgungsgesetz gezahlt. Das macht knapp zehn Fälle pro Jahr. Dies teilte das Verteidigungsministerium jetzt der MZ mit. Dabei handelt es sich seit 2005 um 63 Zahlfälle aufgrund eines Einsatzunfalls, davon in 28 Fällen um Zahlungen an einsatzgeschädigten Soldaten und in 35 Fällen um Zahlungen an Hinterbliebene. Überdies wurden bisher sechs Soldaten aufgrund einer Wehrdienstbeschädigung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen - sprich: weiterbeschäftigt. Drei Soldaten befinden sich noch in der Probezeit, einer in der Ausbildung zum Beamten. Zusätzlich liegen weitere 34 Anträge auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder einer Berufssoldatin vor. Das bedeutet: Bei zuletzt 245 000 Soldaten und etwa 60 000 Zivilbeschäftigten hatte die Truppe bisher sechs Soldaten zu integrieren, die im Dienst fürs Vaterland eine Behinderung erlitten - eine überschaubare Aufgabe.

Der Wehrbeauftragte sieht in dem Gesetz deshalb "Nachbesserungsbedarf an zwei Stellen: Das betrifft die Herabsetzung der Schwelle zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung sowie eines Anspruchs auf Weiterverwendung auf 30 Prozent des Schädigungsgrades sowie die Regelung zur Beweiserleichterung. Genau das hat das Parlament in einem Entschließungsantrag im Oktober 2010 gefordert." Die Abgeordneten wollen nämlich auch nicht, dass der Soldat beweisen muss, wie geschädigt er ist. Königshaus fügt hinzu: "Über diesen politisch klar formulierten Willen, der auch von der politischen Leitung des Verteidigungsministeriums geteilt wird, darf sich die Bürokratie nicht einfach hinwegsetzen."

Ob sich das Parlament am Ende über die Bürokratie hinwegsetzen kann, ist offen. Denn das Bundesinnenministerium blockiert und sagt: Wenn Soldaten mit 30 Prozent Erwerbsminderung weiter beschäftigt werden müssen, dann kann man dies anderen öffentlich Bediensteten nicht verwehren. Es herrscht die Furcht vor ausufernden Ansprüchen und deren Durchsetzung vor Gericht. Die Wehrexperten des Bundestages halten - quer durch alle Fraktionen - dagegen, der Soldatenberuf sei etwas ganz Besonderes. Und man könne einen durch Erlebnisse in Nordafghanistan traumatisierten Oberfeldwebel bei aller Liebe nicht vergleichen mit einem Lehrer, der unter einem Burnout-Syndrom leide. Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff, will die schwarz-gelbe Parlamentsmehrheit und damit letztlich auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) dazu bringen, sich über die Bedenken des Bundesinnenministeriums hinweg zu setzen. Ihr ist das Thema wichtig. Hoff muss die Verteidigungspolitiker der Union auf ihre Seite ziehen. Die haben augenscheinlich Angst vor der eigenen Courage - sowie vor den Innenpolitikern und Finanzexperten.

Nur: Viel Zeit bleibt nicht mehr. Die Entscheidung über die Novelle des Einsatzversorgungsgesetzes soll noch in diesem Herbst fallen.