Afrika Afrika: Sex für Essen

Nairobi/dpa. - «Der große Mann kann mit kleinen Mädchen Liebemachen», zitiert der erschütternde Bericht ein Kind. «Er kann dasMädchen rufen. Dann gehen sie in sein Haus und schließen es ab. Undwenn der große Mann sein Geschäft verrichtet hat, gibt er dem MädchenGeld oder ein Geschenk.» Alltag ihn einem westafrikanischenFlüchtlingslager. Was der Report des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR)und der britischen Hilfsorganisation «Save the Children» am Mittwochans Tageslicht brachte, ist in den Camps in Sierra Leone, Guinea oderLiberia offenbar seit Jahren gängige Praxis: Mutmaßliche Helfer undBeschützer erpressen ihre Hilfeleistung durch Sex mit Minderjährigen.
Sechs Wochen lang befragten die Ermittler insgesamt 1500 Zeugen.Das Ergebnis ihrer Protokolle ist verheerend: Nicht nur Mitarbeitervon insgesamt 40 Hilfsorganisationen, sondern auch UN-Vertreter undBlauhelmsoldaten missbrauchten regelmäßig ihre Schutzbefohlenen unterdem Versprechen, ihnen dafür zu geben, was eigentlichselbstverständlich war. «Viele Kinder sahen darin den einzigen Weg,um an Nahrungsmittel zu kommen», heißt es in dem Bericht.
«Als Mama mich bat, zur Quelle zu gehen, um unsere Teller zuwaschen, wartete dort ein UN-Soldat auf mich. Er befahl mir, meineKleider auszuziehen, um ein Foto zu machen», gab eines der Opfer an.«Als ich ihn danach nach Geld fragte, sagte er: Kein Geld für Kinder,nur Kekse.» Trotzdem gelten UN-Blauhelme nach dem Bericht als ambesten zahlende Kunden: Zwischen fünf und 300 US-Dollar lassen siesich demnach pornografische Fotografien oder Sex mit Kindern undTeenagern kosten. Ganze Gruppen der Friedensbewacher sollen dafürspezielle Treffpunkte gehabt haben, an denen sie ihre Opferregelmäßig trafen.
«Es ist unglaublich, sagt die Direktorin von «Save the Children»in Liberia, Jane Gibrill. «Ausgerechnet die Menschen, die Hilfeleisten sollten, sind die Ausbeuter der Opfer.» Mädchen zwischen 13und 18 Jahren - aber auch Jüngere - machten den größten Teil derOpfer aus. Aber auch minderjährige Jungen seien von älteren Frauen zusexuellen Handlungen gezwungen worden. Der Missbrauch sei oftmals mitWissen der Eltern geschehen. Viele hätten ihre Kinder dazu gedrängt,weil sie sich dadurch eine bessere Lebensgrundlage erhofft hätten.Andere hätten bereits vor langer Zeit Beschwerdebriefe verfasst, diewiederum von mitwissenden Helfern zurückgehalten worden seien, heißtes im Bericht.
«Wenn du einen Helfer anschwärzt, hast du nicht nur mit ihm Ärger,sondern gleich auch mit seinen Kollegen», beschreibt ein Lagerinsasseaus Guinea die Situation. Dort wie in den Nachbarländern Sierra Leoneund Liberia ist der Missbrauch von Kindern ohnehin verbreitet. Vieleder verängstigten kleinen Lagerbewohner waren auf der Flucht vorGewalt oder der Rekrutierung zu Kindersoldaten. Statt Sicherheiterfuhren sie in den Camps nun von den meist einheimischen Helfern,was in ihren Kulturen oft gängige Praxis ist: die Versklavung odersexuelle Nötigung von Kindern.
Einmal mehr wurde in Afrika der Missbrauch durch UN-Mitarbeiteraufgedeckt. Bereits im vergangenen Jahr war im ostafrikanischen Keniaein anderer Skandal ans Tageslicht gekommen: Zwölf UNHCR-Mitarbeiterwurden vom Dienst in zwei Flüchtlingslagern suspendiert. Sie sollendort somalische Flüchtlinge gegen gute Bezahlung auf die oberstenPlätze von Listen zur Umsiedlung in die USA gesetzt haben.