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Afghanistan Afghanistan: Hase und Igel am Hindukusch

Von MARKUS DECKER 28.04.2010, 18:05

BERLIN/MZ. - Erst vor zwei Wochen ging in Afghanistan wieder einer hoch. Als ein gepanzertes Fahrzeug des Typs "Eagle IV" auf einer Brücke hielt, detonierte unter ihm ein Sprengsatz. Drei Soldaten wurden getötet, weitere drum herumstehende verletzt. Man sieht daran: Der Krieg ist auch eine technologische Auseinandersetzung auf unterschiedlichen Niveaus. Die Bundeswehr und die Politik sind sich dessen zunehmend bewusst.

So entschied Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) unlängst, weitere Waffensysteme wie die Panzerhaubitze 2000, Tow-Panzerabwehrraketen und zusätzliche Schützenpanzer vom Typ Marder an den Hindukusch zu schicken. Die Panzerhaubitze kann Geschosse bis zu 40 Kilometer weit feuern. Es ist umstritten, wie sinnvoll ihr Einsatz in Afghanistan ist. Führende Militärs sagen, sie habe zumindest psychologische Wirkung - sie beeindrucke die Taliban und gebe den eigenen Leuten Sicherheit. Gestern nahm die Bundeswehr in Grafschaft (Rheinland-Pfalz) das "Informationszentrum Counter-IED" in Dienst. IED steht für Improvised Explosive Devices - Sprengfallen.

Gefährliche Gießkannen

Kennzeichen asymmetrischer Konflikte wie in Afghanistan ist es ja, dass die von der Ausrüstung her weit unterlegenen Taliban auf unkonventionelle, aber nichtsdestotrotz sehr gefährliche Mittel zurückgreifen. Dies sind oft Sprengfallen, manchmal bestehend aus Töpfen, ein anderes Mal aus Gießkannen und jedes Mal mit explosivem Material versehen. 2003 wurden 81 solcher Sprengfallen gegen die Nato-Einheiten gezündet, 2009 waren es schon 7 228. Aufgabe des Zentrums ist es, Daten über explodierte sowie nicht-explodierte Sprengfallen zu sammeln, diese auszuwerten und die Ergebnisse an die Soldaten der Afghanistan-Schutztruppe weiterzuleiten. Sprengfallen etwa per Satellit zu orten, ist nicht möglich. Umso wichtiger ist es, den Soldaten andere Hinweise zur Früherkennung an die Hand zu geben.

Auf die Frage, warum das "Informationszentrum Counter-IED" nicht gleich ganz nach Afghanistan verlegt wurde, erklärte der zuständige Oberstleunant Helmut Heck gestern übrigens dem Deutschlandfunk, die Obergrenze des geltenden Bundeswehr-Mandats "lässt es nicht zu, dass komplett alle Fachexpertise auch tatsächlich in Afghanistan verfügbar ist".

Panzerhaubitze 2000, Tow, Marder, "Informationszentrum Counter-IED" - die Frage ist: Gibt es noch krasse Defizite? Regierungsnahe Rüstungsexperten sagen, aufs Ganze gesehen sei etwa die Qualität der gepanzerten Fahrzeuge akzeptabel. Das Problem sei die Quantität.

Übungsmaterial fehlt

Alle gepanzerten Fahrzeuge werden nach Lieferung sofort nach Afghanistan transportiert. Deshalb stehen sie hierzulande nicht zu Übungszwecken zur Verfügung. Doch Lernen am Hindukusch - "das sollte man abstellen", findet ein Fachmann. Ein objektiver Mangel, so derselbe Fachmann, herrsche bei Kampfhubschraubern. Die Bundeswehr sei hier im Ernstfall auf die US-Armee angewiesen. Problematisch sei überdies die Mandatsobergrenze von 5 350 Soldaten. Sie verhindere, dass die Truppe flexibel agiere.

In der Bundeswehr sprechen sie von einem Hase-und-Igel-Spiel. Die Truppe versucht, den Taliban auf die Schliche zu kommen und technologisch zu reagieren. Die Taliban ziehen daraus ihre Schlüsse und rüsten nach. Am Ende entscheidet wahrscheinlich der stärkere Wille.