Afghanistan Afghanistan: «Fuck the Taliban»

Kundus/dpa. - Die Motoren der Panzerfahrzeuge dröhnen, die Sonnesticht vom Himmel, der Wind weht Staub durch den Außenposten. Die«Forward Operating Base» der US-Truppen im nordafghanischen Kundusist kein schöner Ort. Die Soldaten der Alpha-Kompanie schwitzenunter ihren Schutzwesten, gleich werden sie zu einer Missionausrücken. Vor der Abfahrt bilden die Männer einen Kreis und fassensich an den Schultern. Nach einem Gebet fordert der Feldwebel einMotto für den Einsatz. «Fuck the Taliban», gibt einer der Soldatenvor. «Fuck the Taliban», schallt es aus dem Zug zurück.
800 Soldaten der kriegserprobten 10th Mountain Division hatUS-Präsident Barack Obama nach Kundus entsandt, um die Taliban inder Provinz zurückzudrängen. Die Kernaufgabe der Amerikaner: Das sogenannte Partnering mit der afghanischen Polizei (ANP), die inweiten Teilen der Bevölkerung einen schlechten Ruf genießt und alskorrupt gilt. Die US-Soldaten bilden die Polizisten aus, sie ziehengemeinsam mit ihnen in den Kampf oder auf Patrouillen, nachtsschlafen sie in den Polizeistationen - kurz: Die Soldaten sollen mitden Polizisten zusammenleben und die Härten des Einsatzes teilen.
Parallel zu den US-Truppen will die Bundeswehr von August an miteinem eigenen Ausbildungs- und Schutzbataillon das Training derafghanischen Armee deutlich verstärken. In den Truppenstellernationenwächst der Druck, die ausländischen Soldaten endlich abzuziehen ausdem tödlichen Einsatz - und den einheimischen Sicherheitskräften dieVerantwortung für ihr Land zu übergeben.
Seit die Amerikaner in Kundus sind, tritt die Polizei vielselbstbewusster auf als früher. «Die Menschen vertrauen jetztdarauf, dass die Amerikaner und die ANP die Taliban besiegenkönnen», sagt etwa der Polizeichef des Distrikts Imam Sahib,Kadschum Ibrahimi. «Das haben auch die Taliban gemerkt.» Überall inder Provinz ist zu hören, die Aufständischen hätten Angst vor denUS-Truppen - anders als vor der Bundeswehr.
Die Amerikaner haben neben dem Bataillon der 10th MountainDivision noch Bombenräumer und vor allem aber Spezialkräfte nachKundus entsandt. Letztere haben in nächtlichen Operationen in denvergangenen Wochen zahlreiche Taliban-Anführer getötet. «Seit dieUS-Truppen hier sind, haben sie die erste Linie des Feindes fastganz besiegt», sagt der Provinzchef des Geheimdienstes NDS, GeneralDaud. «Die Amerikaner machen einen viel besseren Job als dieDeutschen.»
Das liege allerdings nicht an den Bundeswehr-Soldaten, sagt Daud.«Aus meiner Sicht sind die deutschen Soldaten sehr tapfer. Es istein Problem des Parlaments.» Würde der Bundestag den Truppen mehrFreiheiten lassen, meint er, könnten sie viel mehr erreichen.
Unter den deutschen Soldaten ist der Frust darüber zu spüren,dass sich die Sicherheitslage während des mehr als sechs Jahrewährenden Einsatzes in Kundus immer weiter verschlechtert hat. «Beivielen meiner Männer braucht man die Sinnfrage nicht mehr zustellen», sagt Hauptmann Jan - seine Kompanie hat am Karfreitag dreiSoldaten in einem Taliban-Hinterhalt verloren. «Die Frage ist, wassteht auf der Haben-Seite, und das ist eine gute Frage.»
Die Kampfkraft der Amerikaner lässt keinen Zweifel daran, dass -wenn überhaupt - sie in der Lage dazu sein werden, für Sicherheit zusorgen. Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie viel besser als dieBundeswehr die US-Truppen ausgestattet sind, genügt ein Blick aufden Parkplatz der «Forward Operating Base» (FOB): Die Kolonnen derPanzerfahrzeuge dort scheinen beinahe bis zum Horizont zu reichen.
Was den US-Soldaten fehlt, ist das Wissen über die Region undihre komplexen sozialen Strukturen, das bei der Bundeswehr vonKontingent zu Kontingent gewachsen ist. Die Amerikaner operierennach den Worten ihres Bataillon-Kommandeurs, Oberstleutnant RussellLewis, «ergänzend» zu den Deutschen - aber bislang kaum mit ihnenzusammen.
Lewis sagt, seine Einschätzung der Polizei sei gemischt. DiePolizisten seien besser, als er vor dem Einsatz erwartet habe. «Aberich bin nicht naiv, manche sind besser als andere.» Lewis erwartet,dass sich die Sicherheitslage in den kommenden Monaten verbessernwird. Zunächst rechnet er aber mit einem Anstieg der Gewalt.
«Der Feind gibt nicht auf. Er weiß, dass jetzt eine entscheidendeZeit ist.» Als Lewis das sagt, sind die Planungen der Taliban fürden nächsten Anschlag bereits abgeschlossen: Nur Stunden späterstürmen sechs Selbstmordattentäter das Gebäude einer amerikanischenFirma in Kundus, die Projekte der staatlichen HilfsorganisationUSAID umsetzt. Sie richten ein Blutbad an - im Zentrum derProvinzhauptstadt.