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Interview vor der Landtagswahl AfD-Chef Tino Chrupalla: „Eine zweite Chance hat jeder verdient“

Keine Scheu vor Querdenkern, keine Abgrenzung gegen Mitglieder mit rechtsextremer Vergangenheit: Tino Chrupalla wirbt für Dialog mit allen.

Aktualisiert: 28.05.2021, 10:40
Tino Chrupalla will mit der AfD in Sachsen-Anhalt die CDU überflügeln.
Tino Chrupalla will mit der AfD in Sachsen-Anhalt die CDU überflügeln. (Foto: dpa )

Magdeburg - Bei der Landtagswahl am 6. Juni könnte die AfD erstmals stärkste Kraft in einem Land werden. MZ-Redakteur Hagen Eichler befragte AfD-Chef Tino Chrupalla nach seinen Plänen.

Herr Chrupalla, glauben Sie, dass Corona „erfunden“ wurde, um Donald Trump aus dem Amt zu kippen?

Tino Chrupalla: Wie kommen Sie denn auf so einen Unsinn?

Die These stammt von Robert Farle, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Das ist mir neu.

Farle hat im Landtag auch argumentiert, dass der Lockdown „unberechtigt“ war, weil es keine Pandemielage gebe.

Niemand bei uns leugnet Corona. Aber die Verhältnismäßigkeit bei den verschiedenen Lockdowns war nicht gegeben. Zudem haben Bund und Länder viele rein willkürliche Entscheidungen getroffen und so viele Existenzen vernichtet. Ich frage Sie: Wenn alle in Supermärkte und Buchhandlungen dürfen, warum muss der restliche Handel geschlossen bleiben? Das ist nicht nachvollziehbar.

Die Querdenker leugnen Corona. Distanzieren Sie sich von dieser Bewegung?

Corona ist eine hochansteckende Krankheit. Daran kann es keinen Zweifel geben. Und es gibt Menschen, die das bezweifeln. Das ist so. Aber das darf für uns als Politiker doch nicht heißen, dass wir mit diesen Menschen nicht mehr reden. Im Gegenteil: Wir müssen auch mit denen im Dialog stehen, die eine andere Meinung haben, die auf der Straße ihren Unmut über gewisse Dinge in der Politik und der Gesellschaft kundtun. Politik darf nicht ausgrenzen, sie muss versuchen zu integrieren.

Die Bundesregierung wirbt für die Corona-Schutzimpfung. Richtig so?

Das halte ich für bedenklich. Politiker sollten den Bürgern empfehlen, sich medizinisch beraten zu lassen und danach selbst zu entscheiden, ob sie sich impfen lassen möchten. Und insbesondere bei Kindern können nur die Eltern entscheiden. Eine generelle Impfpflicht lehnen wir für Kinder ab. Nur ein Arzt kann beurteilen, ob eine Impfung zu empfehlen ist oder wie hoch die jeweiligen Risiken und Nebenwirkungen sind. Hinzu kommt, dass der Impfstoff nur mit einer Notzulassung auf dem Markt ist.

Virologen sind sich einig, dass die Pandemie nur durch Impfen in den Griff zu bekommen ist - das zählt für Sie nicht?

Sind sich die Virologen wirklich einig? Zu den mittel- und langfristigen Nebenwirkungen sowie den Folgen einer Impfung liegen zur Zeit noch zu wenig belastbare Ergebnisse vor.

Sie stellen das Thema Corona auch im Bundestagswahlkampf in den Mittelpunkt ?

Corona wird eine wichtige Rolle spielen, ganz klar. Wir werden nicht nur die gesundheitlichen, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Bevölkerung thematisieren.

Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt gewählt.
Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt gewählt.
(Foto: mz)

Was ist Ihr Ziel bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt?

Wir wollen zum ersten Mal in einem Bundesland stärkste Kraft werden. Dann müssen die anderen Parteien dem Wähler erklären, ob sie die stärkste Partei weiter negieren und ausschließen wollen. Bislang hat ihnen das nichts gebracht, die Umfragewerte der CDU und der SPD schmelzen dahin.

Der MDR hat berichtet, dass die AfD-Landtagsfraktion zwei Referenten beschäftigt, die beide in einem Neonazi-Verein aktiv waren. Stört Sie das?

Ich bewerte Personen nach ihrem aktuellen Tun und nicht nach dem, was sie vor 20 oder 30 Jahren gesagt haben. Wir sollten möglichst alle Personen in den politischen Diskurs integrieren – von Fall zu Fall prüfen und danach entscheiden. Eine zweite Chance hat jeder verdient.

Sie und Alice Weidel wurden von der Basis als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ausgewählt, die Wunschkandidaten Ihres Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen sind unterlegen. Vertritt Meuthen noch die Mehrheit in der Partei?

Die Mitglieder haben sich auch für das bekanntere Team aus einer promovierten Volkswirtin und einem Handwerksmeister entschieden. Zudem habe ich zusammen mit Frau Weidel 14 Jahre Parteierfahrung in der Alternative für Deutschland. Wir vertreten alle Strömungen in der Partei - Ost und West.

Meuthens Empfehlung für Ihre Konkurrenten Wundrak und Cotar hat Sie geärgert.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich Herr Meuthen als Bundessprecher in der Frage zur Spitzenkandidatur etwas neutraler verhalten hätte.

Empfehlen Sie denn Meuthen für den AfD-Vorsitz? Im November wird neu gewählt.

Es steht mir nicht zu, jemanden für das Sprecheramt zu empfehlen. Die Wahl der Vorsitzenden ist Sache der Mitglieder.

Belarus hat ein Flugzeug zur Landung gezwungen. Wie beurteilen Sie den Fall?

Die erzwungene Zwischenlandung einer zivilen Passagiermaschine sehe ich sehr kritisch. Der Fall muss ausführlich untersucht werden. Wie von mir bereits gefordert, sollten sich die Vereinten Nationen der Sache annehmen. Ob man jedoch mit Sanktionen gegen Weißrussland etwas erreicht, bezweifle ich aber stark. Aus meiner Sicht haben Sanktionen bislang nicht viel gebracht. (mz)