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22. Juni 1941 22. Juni 1941: 70 Jahre nach «Barbarossa» wird Hitler in Russland verehrt

Von Benedikt von Imhoff 21.06.2011, 10:57
Das Archivfoto vom 24.06.1941 zeigt deutsche Infanteristen, die während des Ostfeldzugs der Deutschen im Zweiten Weltkrieg helfen, die schweren Gefechtsfahrzeuge ihrer Züge in der litauischen Ortschaft Vilkija bergauf zu ziehen. (FOTO: DPA)
Das Archivfoto vom 24.06.1941 zeigt deutsche Infanteristen, die während des Ostfeldzugs der Deutschen im Zweiten Weltkrieg helfen, die schweren Gefechtsfahrzeuge ihrer Züge in der litauischen Ortschaft Vilkija bergauf zu ziehen. (FOTO: DPA) dpa

Moskau/dpa. - Es klingt absurd: 70 Jahre nach dem ÜberfallNazi-Deutschlands auf die Sowjetunion - am 22. Juni 1941 - verehrenZehntausende in Russland den Kriegstreiber Adolf Hitler. Rassistenund Neonazis machen sich die krude Ideologie des Diktators zu eigen.Dabei ließ Hitler Millionen Slawen als «Untermenschen» versklaven undermorden. Der «Führer» wollte im Osten deutschen «Lebensraum»schaffen und dafür die «jüdisch-bolschewistische» Bevölkerung derdamaligen Sowjetunion vernichten. Nun wird er von einigen in demRiesenreich für seinen Rassenhass verehrt.

Vor allem rund um Hitlers Geburtstag am 20. April machenRechtsextremisten im größten Flächenstaat der Erde brutal Jagd aufAusländer. Die Opfer sind meist Tagelöhner aus Zentralasien,kaukasische Gastarbeiter und Studenten aus Schwarzafrika. VieleÜberfälle enden tödlich. Erst vor kurzem verurteilte ein Gericht inSt. Petersburg eine Gruppe Neonazis wegen rassistischer Morde anmindestens sieben Menschen.

Schuld sei auch die Regierung von Ministerpräsident WladimirPutin, die den Jugendlichen keine Alternativen biete, sagt AlexanderBrod vom Moskauer Büro für Menschenrechte. Beobachter werfen derFührung sogar vor, rechtsextreme Gruppen zu tolerieren. Die Polizeischaue bei Straftaten oft weg. Im vergangenen Jahr wurden nachAngaben der Menschenrechtsorganisation Sowa mindestens 37 Menschenwegen ihrer Hautfarbe umgebracht und 375 verletzt.

Die Rassisten brüsten sich in Internetvideos mit ihren grausamenTaten - und bekennen sich offen zu Hitler. Dabei zeigen sieHakenkreuze und heben den Arm zum Hitlergruß, was in Russland andersals in Deutschland nicht verboten ist. Auf Fahnen und T-Shirtstauchen immer wieder die SS-Runen oder die Zahl 88 auf - die stehtfür den achten Buchstaben im Alphabet: «Heil Hitler».

Dabei schrieb Hitler in seinem Pamphlet «Mein Kampf» bereits inden 1920er Jahren offen über einen Feldzug gegen die Sowjetunion:«Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden,können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanenRandstaaten denken.»

Für die überwiegende Mehrheit der Historiker steht auch deshalbfest, dass der Überfall auf die Sowjetunion von langer Hand geplantwar. Als Hitler 1933 an die Macht kam, ließ er rasch keinen Zweifeldaran, dass im Gegenzug für «Lebensraum» Millionen Menschen«ausgewiesen» werden müssten. Der Vertrag mit dem SowjetdiktatorJosef Stalin vom August 1939 über die Aufteilung Europas - dersogenannten Hitler-Stalin-Pakt - war für den «Führer» nur einSchachzug, um Zeit zu gewinnen, wie auch der Historiker Rolf-DieterMüller in seinem neuen Buch «Der Feind steht im Osten» schreibt.

Die These, dass Hitler einen Präventivkrieg führte, um einembevorstehenden Angriff zuvorzukommen, sei nicht zu halten, sagenHistoriker. Stalin war vom deutschen Überfall überrascht. Er hatteseinen Top-Spionen keinen Glauben geschenkt, die ihm das genaue Datumdes Kriegsbeginnes genannt hatten. Erst nach mehreren Tagen desZögerns rief der Herrscher im Kreml sein Land zum «GroßenVaterländischen Krieg» auf.

In den folgenden Jahren entwickelte sich vor allem ein vondeutscher Seite äußerst brutal geführter Kampf ohne Rücksicht aufZivilisten. Auch tausende Sowjetbürger schlossen sich der Wehrmachtan, um Rache an den «gottlosen Kommunisten» zu nehmen. Als dasblutige Ringen zu Ende war, beklagte allein die SiegermachtSowjetunion etwa 26,6 Millionen Tote. Das waren mehr Opfer als injedem anderen Land.

Das Datum des Friedensschlusses - nach sowjetischer Rechnung der9. Mai 1945 - ist noch immer der wichtigste Feiertag in Russland undvielen anderen Ex-Sowjetrepubliken. Jedes Jahr gedenkt das Land miteiner gewaltigen Militärparade des Sieges über Nazi-Deutschland.

Doch die Ideologie des damaligen Feindes hält sich weiter inRussland. Hinzu kommt: Bei Aufmärschen rechtsextremer Gruppen schautdie Staatsmacht meist nur zu. Proteste von Kremlkritikern werdenhingegen niedergeknüppelt. Bei einer nicht genehmigten Kundgebung vonSchwulen und Lesben in Moskau prügelte kürzlich nicht nur die Polizeiauf die Demonstranten ein. Auch Rechtsextremisten machten Jagd aufdie Teilnehmer des «Gay Pride».