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Ost-West-Check im ZDF Ost-West-Check im ZDF: Welche Klischees und Vorurteile stimmen immer noch?

Von Torsten Wahl 22.09.2015, 07:16
Gonzague Dejouany hat nach dem Mauerfall französische Firmen nach Deutschland vermittelt. Diese pumpten bis 2003 mehr als acht Milliarden Euro in die neuen Bundesländer (Arte, 20.15 Uhr).
Gonzague Dejouany hat nach dem Mauerfall französische Firmen nach Deutschland vermittelt. Diese pumpten bis 2003 mehr als acht Milliarden Euro in die neuen Bundesländer (Arte, 20.15 Uhr). MDR/Hoferichter & Jacobs Lizenz

Berlin - Sind die Ostdeutschen immer noch duldsamer gegenüber Schikanen als die Westdeutschen? Zwei Drittel der Käufer in Halle akzeptierten jedenfalls im Laden eine „Umkleidekabinenbenutzungsgebühr“, aber nur ein Drittel in Stuttgart. Ein ähnliches Ergebnis brachte der Test in Dessau: Hier ließen sich doppelt so viele Leute eine halbe Bratwurst zum vollen Preis andrehen wie die Kunden in Krefeld.
Der Ost-West-Check im ZDF will spielerisch testen, ob und wie die Klischees und Vorurteile immer noch stimmen. So sind die Ostdeutschen im Check hilfsbereiter: Hier hielten sieben Autos in einer Stunde an einem Pannenauto an, im Westen waren es nur drei.

Professoren erklären

Professoren wie Rebecca Pates von der Uni Leipzig und Klaus Schroeder von der FU Berlin liefern soziologische Erklärungen für die Ergebnisse. Doch wie repräsentativ die Umfragen waren, wurde nicht erklärt, viele Tests wirken zufällig. So sollte ein nacktes Pärchen am Strand erkunden, ob Wessis prüder als Ossis sind – doch schamhaft blieben vor allem die ZDF-Autoren, die ihre Nackten verpixelten.

Schon gar nicht lässt sich auf die Schnelle herausfinden, ob der Osten tatsächlich fremdenfeindlicher ist. Der freundliche Umgang einiger Passanten in Hohenstein-Ernstthal mit einer Gruppe Sudanesen kann kaum widerlegen, was in Heidenau, Tröglitz und anderswo passiert ist. Hinzu kommen sachliche Schnitzer: So trugen DDR und BRD nicht, wie behauptet, 40 Jahre lang verschiedene Fahnen. Das Emblem mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz rückte erst zehn Jahre nach DDR-Gründung in die Fahne. Anlass zur Diskussionen bietet der ZDF-Check aber allemal.

Im Vorfeld des 25. Jahrestags der Wiedervereinigung widmet sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen ausgiebig dem Zusammenwachsen Deutschlands. So kommt das Erste am nächsten Montag mit seinem Ost-West-Report daher. Die Einheit wird dazu in Talks, Quiz-Shows und Fernsehfilmen wie „Weissensee“ oder dem Doppel-Polizeiruf aus Magdeburg und Rostock aufgearbeitet. Waren die Filme und Dokus zum Jahrestag des Mauerfalls noch stark von Emotionen geprägt, so soll in diesem Jahr kritische Bilanz gezogen werden, sagt ZDF-Chefredakteur Peter Frey.

Am weitesten in die Tiefe geht die MDR-Doku „Wem gehört der Osten?“ auf ARTE - eine Zusammenfassung der Reihe, die Anfang Juli im MDR gelaufen war. Hier analysieren Ariane Riecker und Matthias Hoferichter den Wandel der Eigentumsverhältnisse und setzen ihre Aussagen grafisch anschaulich um. Das symbolischste Beispiel haben sie in Heiligendamm gefunden. Hier versperren ein umzäuntes Nobelhotel und eine Reihe verrottender Villen den Weg zum Strand. Der Investor Anno August Jagdfeld, der vor der Kamera alle Klischees des arroganten Westlers erfüllt, hofft auf reiche Kundschaft und blockiert bis heute die Entwicklung des Ortes.
Sanierung auf Kosten der Mieter.

Kritisch hinterfragt wird auch Veräußerung städtischer Wohnungen: So sanierte die Stadt Dresden mit dem Verkauf aller Wohnungsgesellschaften ihre Kasse – auf Kosten der Mieter. Überhaupt zeigt die Doku, dass die Ostdeutschen nicht nur Opfer der „Deals der Einheit“ sind. Als positives Beispiel wird die Agrar-Genossenschaft im Mansfeldischen Gerbstedt vorgeführt, die sich mit 300 Kaufverträgen und 700 Pachtverträgen Land gesichert hat. In Leipzig sorgen mittlerweile auch einheimische Investoren für die Verdrängung: Eine Kommune muss eine ausgebaute Fabriketage verlassen, um Platz für Luxuslofts zu schaffen.

Leider laufen die Dokus auf Arte und im ZDF stets gleichzeitig. Der Frage „Wem gehört der Osten“ lässt sich aber nicht nur in der Arte-Mediathek, sondern auch in einer Web-Doku im MDR nachgehen. (mz)
„Wem gehört der Osten? Die Deals der Einheit“, Arte, heute, 20.15 Uhr; „Ost und West – Der große Check “, ZDF, heute 20.15 Uhr; „Der Ost-West-Report“, 28.9., ARD, 22.45 Uhr; „Deutschland 25: Auf den Spuren der Einheit mit Christopher Clark“, ZDF, 29.9., 20.15 Uhr