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Nach Rechtsrock-Festival Nach Rechtsrock-Festival in Themar: Polizei ermittelt nach Hitlergruß und "Heil"-Geschrei

17.07.2017, 15:12
Ein Polizei sichert in Themar einen Kreuzung. Etwa 6.000 Rechte feierten in Thüringen unter dem Schutz des Versammlungsrechts ein Neonazi-Konzert.
Ein Polizei sichert in Themar einen Kreuzung. Etwa 6.000 Rechte feierten in Thüringen unter dem Schutz des Versammlungsrechts ein Neonazi-Konzert. X01425

Themar - Nachdem am vergangenen Wochenende im thüringischen Themar etwa 6.000 Anhänger der rechten Szene zu einem Rechtsrock-Festival zusammenkamen, hat die Polizei nun Ermittlungen angekündigt.
Auslöser ist ein im Internet aufgetauchtes Video, das zeigt, wie Dutzende Besucher des Neonazi-Konzerts den Hitlergruß zeigen und „Heil“ skandieren, erklärt die Thüringer Polizei über ihren Twitterkanal.

Das Video sei der Polizei nicht verborgen geblieben, heißt es da. „Die dargestellten Geschehnisse im Zelt waren uns bisher nicht bekannt. Wir haben bereits Ermittlungen eingeleitet und werden diesen Straftaten entschlossen nachgehen.“ Außerdem fordert die Polizei weitere Zeugen auf, sich zu melden und den Ermittlern Fotos oder Videos zur Verfügung zu stellen.

Das Verwenden des Hitlergrußes ist ein Verstoß gegen § 86a des Strafgesetzbuches („Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen") und kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Nach Neonazi-Konzert in Themar: Thüringens Ministerpräsident Ramelow fordert Gesetzesänderung

Nach dem Neonazi-Konzert in Südthüringen ist zudem eine bundesweite Debatte über den Umgang mit extremistischen Veranstaltungen entbrannt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte im MDR eine Veränderung des Versammlungsrechts. „Ich denke, wir müssen das Versammlungsrecht derart präzisieren, dass in Zukunft Landratsämter und Genehmigungsbehörden und dann auch in der Folge die entscheidenden Gerichte diese Dinge nicht mehr unter Meinungsfreiheit abtun“, sagte er.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki widersprach Ramelow am Montag und warnte vor einem Gesinnungsrecht. Die Thüringer Polizei ermittelt unterdessen wegen der Verwendung des Hitlergrußes bei dem Festival.

Zu dem Neonazi-Konzert am Rande der Kleinstadt Themar waren am Samstag nach Polizeiangaben rund 6.000 Rechte gekommen. Laut Innenministerium wurden 46 Strafanzeigen aufgenommen, unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Bedrohung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffengesetz. Sechs Menschen wurden vorläufig festgenommen, von 440 weiteren wurde die Identität festgestellt.

Ramelow sagte, man könne „traurig“ und „hilflos“ werden, wenn 6.000 Anhänger der rechten Szene getarnt als Demonstranten ein riesiges Rechtsrockfestival feierten und gleichzeitig Geld für ihr Netzwerk sammelten. Die Kosten trage hingegen der Steuerzahler. Das Landratsamt Hildburghausen hatte das Konzert mit Verweis auf den Eintritt in Höhe von 35 Euro zuvor als kommerzielle Veranstaltung und nicht als politische Versammlung gewertet, war damit jedoch vor zwei Gerichten gescheitert.

Unterstützung bekam Ramelow vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Die Versammlungsfreiheit sei zwar ein hohes Gut. „Zugleich gilt es aber auch, einem Missbrauch dieser Freiheit vorzubeugen und unsere Demokratie zu schützten.“

Kubicki hält derlei Forderungen - wenngleich sie emotional verständlich seien - für gefährlich. „Das Grundgesetz spannt einen weiten Schirm über die Meinungsfreiheit.“ Das gelte sowohl für rechtsextremistische als auch für linksextremistische Äußerungen. „Wenn wir anfangen, verfassungsrechtliche Grundsätze an gesinnungsrechtlichen Maßstäben auszurichten, wird staatliches Handeln willkürlich, weil es nicht mehr auf einer neutralen Grundlage geschieht, sondern weil es Partei ergreift“, sagte er.

Auch der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Manfred Scherer, sieht für Versuche der Landesregierung, den Versammlungsbegriff enger zu fassen, wenig Spielraum. „Es kommt darauf an, den vorhandenen Rechtsrahmen voll auszuschöpfen.“

Kritik gab es am Vorgehen der Einsatzkräfte. Viele Nutzer forderten in den Sozialen Medien, die Polizei hätte die Versammlung nach den Gesetzesverstößen auflösen müssen. Der Sprecher kündigte an, man wolle im Laufe des Montags dazu Stellung nehmen. (mz/dpa)