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Luftfracht Luftfracht: Bombensichere Container

Von STEFFEN HÖHNE 04.02.2011, 21:19

CHEMNITZ/MZ. - Anfang November 2010 erschütterte ein Anschlagsversuch die internationale Luftfrachtbranche. Eine Paketbombe gelangte aus dem Jemen über den Flughafen Köln / Bonn ins englische Nottingham. Nur wegen eines Tipps wurde sie von Sicherheitskräften vor dem Weiterflug der Maschine in die USA entdeckt. Dies entfachte eine Debatte über Sicherheitslücken in die Luftfracht. "Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht", heißt es in der Branche.

Erste Funktionstests erfolgreich

Das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) aus Chemnitz arbeitet aber daran, dass man an absolute Sicherheit herankommt. "Wir haben einen bombensicheren Flugcontainer entwickelt", sagt Forschungsleiterin Heike Illing-Günther. Die Wissenschaftler haben in den vergangenen zwei Jahren zusammen mit sieben europäischen Partnern im Forschungsprojekt "Fly Bag" textile Stoffe entwickelt, die in der Lage sind, Druckwellen und Feuer abzufangen. Diese entstehen bei der Zündung einer Bombe.

Der neu entwickelte Container mit einem Volumen von einem Kubikmeter besteht laut Illing-Günther aus einem Hightech-Stoff. Das Geheimnis sei die Materialkombination. Dabei würden neuentwickelte Hochleistungsfasern aus Kunststoff in mehreren Lagen miteinander verbunden. So werden nach Worten der Forschungschefin unter anderem Aramide eingesetzt, die auch bei schusssicheren Westen verwendet werden.

Die ersten Funktionstests verliefen laut Illing-Günther erfolgreich. In einem britischen Wissenschaftszentrum für experimentelle Explosionen haben Forscher untersucht, wie effektiv der Prototyp ist. "Sie haben einem typischen Gepäckstück, das Leute mit in den Urlaub nehmen, eine kleine Menge Sprengstoff beigefügt", so Illing-Günther. Die Explosion habe so gut wie keine Auswirkungen auf den Behälter gehabt. Der Vorteil des Stoffes sei, dass er sich ausdehnen könne. Damit könne sich der Container deformieren, ohne in Stücke gerissen zu werden. "So soll verhindert werden, dass Gepäck durch die Wucht der Explosion die Flugzeughülle durchschlägt", sagt die Forscherin. Wie viel die neuen Stoffcontainer aushalten, darüber gibt sie keine Auskunft.

Der Ingenieur Jim Warren, der am "Fly-Bag"-Projekt beteiligt ist, sagte zuletzt: "In Lockerbie war es weniger als ein halbes Kilo, das eine Boeing 747 zum Absturz brachte. Unser Container könnte vor dieser Art von Anschlägen schützen." Beim Anschlag auf den Flug 103 der amerikanischen Fluggesellschaft Pan-Am über dem schottischen Lockerbie waren am 21. Dezember 1988 alle 259 Insassen der Maschine ums Leben.

Die Mitglieder des "Fly-Bag"-Projektes, darunter der niederländische Luftfahrtzulieferer Cargo Network, wollen das Produkt möglichst schnell auf den Markt bringen. Eingesetzt werden sollen die Container zunächst in kleineren Flugzeugen wie dem Airbus 300. Denn hier gibt es im Laderaum lediglich Netze. Die Patente liegen laut Illing-Günther bereits vor. Allerdings stehe die sogenannte luftfahrttechnische Zulassung noch aus. Die Projektpartner stünden in engem Kontakt mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit.

Fracht-Airline offen für Neuheiten

Illing-Günther rechnet mit guten kommerziellen Chancen: "Der Stoffbehälter wiegt 35 Kilogramm, dies ist die Hälfte der herkömmlichen Alu-Container." Gewicht sei neben dem Preis ein wichtiges Kriterium in der Luftfracht. Ein verstärkter Großcontainer eines US-Anbieters, der auch Schutz vor kleinen Bomben bieten soll, habe sich aufgrund des hohen Gewichts nicht am Markt durchsetzen können.

Große Frachtfluggesellschaften sind zumindest neugierig. "Alles, was die Sicherheit erhöht, schauen wir uns genau an", sagt Michael Göntgens, Sprecher von Lufthansa Cargo. Die Fracht-Airline sei bei der Sicherheit stets Vorreiter gewesen. Wichtig sei, dass sich Neuerungen in bestehende Systeme integrieren lassen.