Lehman Brothers mit neuem Milliardenloch
New York/dpa. - Die von der Kreditkrise schwer getroffene US- Investmentbank Lehman Brothers trennt sich nach einem Rekordverlust von großen Konzernteilen und streicht Stellen.
Wegen erneuter Milliardenabschreibungen erlitt das Finanzhaus im dritten Geschäftsquartal ein Minus von voraussichtlich 3,9 Milliarden Dollar (2,8 Mrd Euro). Die Dividende wird radikal gekürzt. «Dies ist eine der schwersten Zeiten in der Geschichte des Unternehmens», sagte Lehman-Chef Richard Fuld am Mittwoch in New York.
Die viertgrößte US-Investmentbank baute den Angaben nach bereits 1500 Stellen ab. Weitere können folgen. Der Verkauf von Konzernteilen soll einerseits dringend benötigtes frisches Kapital in die Kassen spülen und andererseits die Bank von riskanten Immobiliengeschäften befreien. Allein in dem Ende August abgelaufenen Geschäftsquartal musste Lehman überwiegend im Zuge der Kreditkrise weitere 7,8 Milliarden Dollar abschreiben.
Die Bank verhandelt unter anderem über die Abgabe der Mehrheit an ihrer wertvollen Vermögensverwaltung, was drei Milliarden Dollar einbringen soll. Zudem werden gewerbliche Immobilienanlagen von bis zu 30 Milliarden Dollar in eine börsennotierte Firma abgespalten. Mit dem Vermögensverwalter BlackRock spricht Lehman über den Kauf britischer Privatimmobilien im Volumen von vier Milliarden Dollar.
Zuletzt hatte das über 150 Jahre alte Traditionshaus vergeblich neue Investoren etwa in Asien gesucht. «Wir sind auf dem richtigen Weg», sagte Fuld mit Blick auf die nun geplanten Schritte. Die Liquidität der Bank sei weiter ausreichend.
Lehman-Aktien waren am Dienstag durch panikartige Verkäufe um fast die Hälfte auf ein Zehn-Jahres-Tief von 7,79 Dollar eingebrochen. Die Bank hatte als Reaktion die Veröffentlichung ihrer vorläufigen Zahlen überraschend um gut eine Woche vorgezogen. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse konnte die Aktie zum Börsenstart am Mittwoch Gewinne verbuchen, die aber die jüngsten Verluste bei weitem nicht wettmachten. Fuld kritisierte, Spekulanten hätten den Kurs zuletzt nach unten getrieben.
Analysten hatten für das abgelaufene Quartal einen weit geringeren Verlust erwartet. Ein Jahr zuvor hatte die Bank noch 887 Millionen Dollar Gewinn erzielt. Die Dividende wird um mehr als 90 Prozent auf 5 US-Cent zusammengestrichen. Bereits im zweiten Geschäftsquartal hatte die Bank ein Minus von 2,8 Milliarden Dollar eingefahren und sich sechs Milliarden Dollar neues Kapital besorgt.
Am Markt kursierten zuletzt immer wieder Gerüchte über einen Zusammenbruch oder Notverkauf der Wall-Street-Firma. Auch über eine Eingreifen des Staates spekulierten Anleger und Medien, nachdem die öffentliche Hand erst zu Wochenbeginn eine Rettungsaktion für die zwei größten US-Hypothekenfinanzierer gestartet hatte. Deutsche-Bank- Chef Josef Ackermann rechnet aber nicht mit einem Zusammenbruch von Lehman. «Ein Kollaps einer Bank dieser Größenordnung würde eine weitere Welle von Verwerfungen nach sich ziehen. Aber davon gehe ich nicht aus», sagte er bei einer Banken-Tagung in Frankfurt.
Erst im März hatte die fünftgrößte US-Investmentbank Bear Stearns wegen ähnlicher Schwierigkeiten ihrem Notverkauf zustimmen müssen. Lehman stehen inzwischen jedoch kurzfristige Kredite der Notenbank Fed zur Verfügung - ein laut Experten wichtiges Sicherheitsnetz. Weltweit haben Banken im Zuge der Kreditkrise bislang Schätzungen zufolge mehr als 500 Milliarden Dollar abschreiben müssen.