Kraftstoffe Kraftstoffe: Diesel ist Mangelware

Leuna/MZ. - Der Halt an der Zapfsäule ist für viele Autofahrer ein Ärgernis. Die Preise verharren seit Wochen auf hohem Niveau. Vor allem Diesel-Fahrer schauen mitunter ungläubig an die Preistafel. Trotz staatlicher Begünstigung ist der Kraftstoff kaum günstiger als Super Benzin. Die Notierung schwankt um die 1.50 Euro pro Liter. Die niedrigere Mineralölsteuer von mehr als 18 Cent spiegelt sich nicht mehr in den Verkaufspreisen. Doch wer kassiert hier ab?
"Diesel wird auf dem Markt stärker nachgefragt, Benzin ist dagegen reichlich vorhanden", sagt Reinhard Kroll, Geschäftsführer der Total Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna (Saalekreis). Während in Deutschland laut Mineralölwirtschaftsverband im Jahr 2000 noch rund 27 Millionen Tonnen Ottokraftstoffe verkauft wurden, sank der Absatz bis 2011 auf 20 Millionen Tonnen. Umgekehrt stieg der Absatz von Dieselkraftstoffen im selben Zeitraum von 29 auf 33 Millionen Tonnen. Der Grund: Die Deutschen kaufen immer größere Autos, da sind durchzugsstarke Motoren gefragt. Die Verschiebung hat auf dem Kraftstoff-Markt Konsequenzen. Anstatt Diesel ins Ausland zu verkaufen, importiert Deutschland seit 2010. "Vor allem aus Russland kommen die benötigten Mengen", sagt Kroll. Die 13 deutschen Erdölverarbeiter würden den Bedarf nicht decken.
Die Raffinerien stecken in einem Dilemma: Sie können auf die veränderte Nachfrage nicht flexibel genug reagieren. Diesel und Benzin lassen sich im Prozess nur gleichzeitig herstellen. Nur etwa die Hälfte der Produkte sind sogenannte Mitteldestillate wie Diesel, Heizöl und Flugbenzin. In der Vergangenheit konnten die europäischen Raffinerien ihre Benzin-Überschüsse in die USA exportieren. Doch die schwache US-Wirtschaft und billiges Erdöl aus heimischer Produktion sorgen dafür, dass die amerikanische Nachfrage abnimmt. Das heißt am Ende: Der Benzinpreis ist unter Druck, Diesel wird tendenziell teurer.
"Auf dem europäischen Raffinerie-Markt gibt es Überkapazitäten", sagt Kroll. Diese würden nun langsam abgebaut. In Deutschland sei etwa die größte Raffinerie, Wilhelmshaven, außer Betrieb. Anfang 2012 ging zudem der Raffinerie-Betreiber Petroplus pleite. Die Erdölverarbeitungsanlage in Ingolstadt (Bayern) hat nach dem Verkauf an die Gunvor-Gruppe die Produktion aber wieder aufgenommen. Die Zahlen des Mineralölwirtschaftsverbandes sind eindeutig: Die deutschen Raffinerie-Kapazitäten lagen 2009 noch bei 117,6 Millionen Tonnen, im vergangenen Jahr waren es nur noch 103,4 Millionen Tonnen.
Kroll rechnet damit, dass in den nächsten Jahren wegen sinkender Verbräuche weitere Raffinerien schließen werden. Nach dem Energiekonzept der Bundesregierung wird der Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland von insgesamt 103 Millionen Tonnen 2011 auf 84 Millionen Tonnen im Jahr 2020 zurückgehen. Gleichzeitig sollen aus nachwachsenden Rohstoffen zehn bis 15 Millionen Tonnen Bio-Kraftstoff hergestellt werden.
Gelassen sieht Kroll derzeitige Ermittlungen des Bundeskartellamtes gegen die deutschen Raffinerie-Betreiber. Die Wettbewerbshüter prüfen, ob die Raffinerien freie Tankstellen-Betreiber benachteiligen. Das heißt, ob sie überhöhte Preise verlangen. Kroll weist dies zurück: "Vor gut zwei Jahren arbeiteten alle deutschen Raffinerien mit Verlust." Die Gewinnspannen seien wegen des Wettbewerbs unter Druck. Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit Leunas macht sich Kroll nicht: "Die 1997 eröffnete Anlage gehört noch immer zu den modernsten Europas." Im vergangenen Jahr verarbeitete die Raffinerie, die rund 600 Mitarbeiter beschäftigt, 10,5 Millionen Tonnen Erdöl. Der Umsatz lag bei 7,36 Milliarden Euro.