Konjunktur Konjunktur: Deutsche Wirtschaft kommt langsam aus dem Tal

Wiesbaden/Frankfurt/Main/dpa. - Mit dem Rückenwind der Exporte hat die deutsche Wirtschaft 2005 die Talsohle hinter sich gelassen. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte zum Vorjahr zwar nur um 0,9 Prozent zu. Korrigiert um die geringere Zahl der Arbeitstage wardas Wachstum aber genauso stark wie 2004 und erreichte in beidenJahren etwas mehr als ein Prozent. Dies berichtete das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Frankfurt. 2003 war die Wirtschaft noch um 0,2 Prozent geschrumpft.
Der «Anlauf für einen Aufschwung» soll 2006 nach Einschätzung dermeisten Ökonomen in den stärksten Zuwachs seit sechs Jahren münden.Ein positives Signal ist zudem die überraschend auf 3,5 Prozentgesunkene Defizitquote und die niedriger als erwartet ausfallendeNeuverschuldung des Bundes. Die Wirtschaft schöpft Hoffnung aus derregeren Investitionstätigkeit.
«Der dynamische Außenhandel hat fast ausschließlich das Wachstumgetragen», sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, JohannHahlen. Es komme jetzt darauf an, dass dieser «Funke auf dieBinnenkonjunktur überspringt», sagte BundeswirtschaftsministerMichael Glos. Als «gute Nachricht» bezeichnete BundesfinanzministerPeer Steinbrück (SPD) in Moskau die Dezifitzahlen. DieNeuverschuldung des Bundes werde 2005 tatsächlich bei 32 MilliardenEuro liegen, sagte Steinbrück. Zuvor waren 35 Milliarden Euroerwartet worden. Durch das Konjunkturpaket werden es 2006 aber 41Milliarden Euro.
Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt erreichte dasHaushaltsdefizit 2005 die niedrigste Quote seit 2001. Zwar wurde zumvierten Mal infolge die von Maastricht vorgegebene Drei-Prozent-Markeverfehlt. Doch hatte Berlin zuletzt 3,7 Prozent angenommen. Die EU-Kommission, die sogar von 3,9 Prozent ausging, begrüßte dieEntwicklung. Auch für 2006 dürfte dies «disziplinierende Wirkung»haben, hieß es aus Moskau zu der gesunkenen Quote.
«Problematisch blieben die Lage auf dem Arbeitsmarkt und dieschwache Binnennachfrage», erklärte Hahlen. «Das Wirtschaftswachstumwar 2005 moderat, aber nicht stabil. Ein breit angelegtes und sichselbst tragendes Wachstum war nicht zu beobachten.» Von Quartal zuQuartal habe der Zuwachs stark geschwankt. Die Bundesregierung unddie führenden Forschungsinstitute setzen auf die Belebung des Konsumsund erwarten für 2006 ein Wachstum von 1,5 bis 1,8 Prozent.
«Das Miniwachstum liegt weit unter der Beschäftigungsschwelle»,sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion,Rainer Brüderle, am Donnerstag der dpa. Er warf der Bundesregierungeine «schizophrene Wirtschaftspolitik» vor, weil sie dieBinnennachfrage abwürge und gleichzeitig einseitig auf den Exporthoffe. «Solange die Kardinalprobleme am Arbeitsmarkt, bei denLohnzusatzkosten und in der Unternehmensbesteuerung jedoch nichtgelöst sind, wird das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial schwachbleiben», sagte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- undHandelskammertages (DIHK), Axel Nitschke.
Der Exportüberschuss habe 2005 mit 0,7 Prozentpunkten zum BIP-Wachstum von 0,9 Prozent beigetragen, berichtete Hahlen. Dieungebrochene Nachfrage aus dem Ausland ließ die Exporte stärkersteigen (plus 6,2 Prozent) als die Importe (plus 5,0 Prozent). Diedeutschen Unternehmen profitierten dabei von der starkenWeltwirtschaft und der gestiegenen Nachfrage aus den Erdölexportierenden Ländern.
Im Inland wurde die Schwäche der Vorjahre nicht überwunden, aberes zeigten sich erste Hoffnungsschimmer. Die Unternehmen investiertenwieder 4,0 Prozent mehr in Ausrüstungen und Maschinen - das war derhöchste Zuwachs seit dem Jahr 2000. Für 2006 bestehe die Aussicht aufein bißchen mehr Dynamik, sagte BDI-Chefvolkswirt Hans-Joachim Haßder dpa. «Aber den Durchbruch zu einem richtig dauerhaftenWachstumspfad kann ich noch immer nicht erkennen.» Insgesamtoptimistischer zeigte sich die Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbände (BDA). Die Ausrüstungsinvestitionen derUnternehmen hätten wieder zum Wachstum beigetragen, sagte BDA-Chefvolkswirt Ottheinrich von Weiterhausen: «Ich denke, das ist einegute Ausgangslage für 2006, dass der zweite Zylinder imWachstumsmotor - die Inlandsnachfrage - zündet.»
Sorgenkind war der private Konsum, der im vergangenen Jahrstagnierte. Die hohen Öl- und Energiepreise hätten den VerbrauchernKaufkraft entzogen, erklärte Hahlen. Aus Angst vor Arbeitslosigkeitstieg die Sparquote 2005 im fünften Jahr in Folge und kletterte von10,5 auf 10,6 Prozent.
2006 soll der Konsum nach einhelliger Meinung aber - beschleunigtdurch Sondereffekte wie Fußball-WM und vorgezogene Käufe wegen dergeplanten Mehrwertsteuererhöhung - anspringen. Die Statistikererhoffen sich davon neuen Schwung für die Wirtschaft. «Sobald wir vomKonsum einen höheren Wachstumsbeitrag bekommen, wird die Wirtschaftstärker zulegen», sagte Hahlen. Auch die staatlichen Konsumausgabenwaren im vergangenen Jahr noch rückläufig (minus 0,4 Prozent).
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich 2005 in jeweiligenPreisen um 1,3 Prozent auf 2244 Milliarden Euro.
