Internet Internet: Intershop-Verluste steigen weiter
Hamburg/Jena/dpa. - Intershop-Gründer und Vorstandschef Stephan Schambach trat blassund beklommen vor die Aktionäre, deren Vermögen innerhalb wenigerMonate um mehr als 90 Prozent zusammengeschrumpft ist. «Lassen sieuns gemeinsam diese schwierigen Zeiten durchstehen, um schnellstmöglich wieder an die erlangten Erfolge anzuknüpfen», bat er seineAnteilseigner und fügte hinzu: «Schließlich bin auch ich Aktionär undgenau wie sie am Wohlergehen des Unternehmens interessiert.»
Der einstige Star der so genannten New Economy ist bescheidengeworden. Schambach hatte das Unternehmen als 20-jähriger bereitskurz nach der Wende in Jena gegründet und zunächst märchenhaftenErfolg gehabt: Sein Unternehmen nannte er ironisch nach denWestgeld-Läden der DDR Intershop, und die Software ist bis heute nachunabhängigen Einschätzungen die beste für den Handel im Internet.«Bis Ende des dritten Quartals hat Intershop alle Erwartungenhinsichtlich Umsatzsteigerungen und Ergebnis erreicht», sagte er imHamburger Congress Centrum. Die Aktie kletterte von unter 10 Euro1999 auf den Rekordwert von 135 Euro im März 2000 - und derOstdeutsche wurde plötzlich zum Millionär.
Um so härter traf ihn und das Unternehmen der unerwarteteAbsatzeinbruch in den USA, wo Intershop seine Visionen nicht einlösenkonnte. Aus dem erwarteten Gewinn wurde ein Verlust von 39 MillionenEuro, und die Aktie stürzte zurück auf derzeit 4 Euro. Nun stehtIntershop vor den gleichen Herausforderungen wie andere Unternehmender «New Economy»: Kosten senken, vom Personal bis zu den Büromieten,und das Unternehmen an die gesunkenen Umsatzerwartungen anpassen.Gelingt das nicht, ist nur noch für ein halbes Jahr Geld in derKasse.
«Durch Selbstüberschätzung und Realitätsferne ist diesesUnternehmen an den Abgrund geführt worden», klagte Jens-Uwe Nölle vonder Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Doch er gabnicht nur dem jungen Unternehmenschef, sondern auch Banken undAnalysten die Verantwortung dafür, die Intershop unverantwortlichhochgejubelt hätten. Es blieben die einzigen scharfen Worte auf derHauptversammlung. Das erwartete Scherbengericht der Aktionäre bliebaus. Wer sich sonst zu Wort meldete, stellte sachliche Fragen.
Lebhafter ging es im Foyer des Congress Centrums zu, wo sich dieAktionäre bei Würstchen und Kartoffelsalat die Köpfe heiß redeten.«Die Hoffnung muss man behalten», sagte ein Biologe aus Hamburg. «DieAktie wird nicht zum Penny-Stock werden.» Er will die Aktie in dennächsten Wochen beobachten und vielleicht nachkaufen, um seineEinstandskosten zu verbilligen. Ähnlich sieht es ein Berater,ebenfalls aus Hamburg: «Das Produkt ist gut; entscheidend ist, ob dasManagement die Kosten anpassen kann.» Auch er will nachkaufen, obwohler weiß: «Das ist natürlich sehr spekulativ.»
Pünktlich zur Hauptversammlung konnte Intershop noch eine guteNachricht verbreiten. Die Software-Firma erhält einen Großauftrag vonder Münchener bol.com AG, einem Tochterunternehmen der DirectGroupBertelsmann. Das Online-Handelsportal des Unternehmens wird auf dieE-Business-Plattform «Enfinity» von Intershop umgestellt. Wie esheißt, beläuft sich das Auftragsvolumen auf mehrere Millionen Euro.