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Heike Wunderlich (  Heike Wunderlich ( ): Wie weit ist die Wahrheitsfindung vor dem Landgericht?

Von Martin Kloth und Claudia Drescher 07.04.2017, 07:42
Heike Wunderlich wurde 1987 tot neben ihrem Moped gefunden.
Heike Wunderlich wurde 1987 tot neben ihrem Moped gefunden. Polizei/Berliner Kurier

Zwickau - Frank Wunderlich ist fast immer da. Er sitzt im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Zwickau mit dem Rücken zu den Besuchern und gegenüber vom Richter. Von 21 Prozesstagen hat der 43-Jährige nur drei verpasst. Verhandelt wird der Fall seiner Schwester Heike.

Ihre Ermordung jährt sich am Sonntag (9. April) zum 30. Mal. „Das ist immer noch mit vielen Emotionen verbunden. Die sind auf jeden Fall gleichbleibend“, sagt Frank Wunderlich.

Frank Wunderlich im Prozess gegen mutmaßlichen Mörder seiner Schwester fast immer dabei

Wenn Frank Wunderlich von seinem Platz als Nebenkläger auf die Zeugen schaut, hat er in der Verlängerung seines Blicks freie Sicht auf den Mann, den er für den Mörder seiner Schwester hält.

Helmut S. - ein 61 Jahre alter Frührentner aus dem thüringischen Gera - soll laut Staatsanwaltschaft die damals 18-jährige Heike Wunderlich am 9. April 1987 in einem Wald nahe Plauen im Vogtland vergewaltigt und getötet haben. „Der Todestag ist bei uns immer präsent“, sagt Wunderlich.

Heike Wunderlich 1987 mit BH und Slip erdrosselt

Heike Wunderlich war mit ihrem Büstenhalter und ihrem Slip erdrosselt worden. Der Angeklagte sitzt seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft, weil dank verfeinerter Untersuchungs- und Analysemethoden seine DNA am BH der Toten gefunden wurde. Die genetische Spur fand sich allerdings an nur einer Stelle. Das Thema ist komplex.

Am 24. April soll eine Rekonstruktion Aufschluss darüber bringen, wie die DNA dorthin gelangt sein kann.

Mord an Heike Wunderlich: Eine DNA-Spur führt zum Angeklagten

Die DNA-Spur ist der bislang einzige Beweis gegen den Angeklagten. Dass sie von ihm stammt, steht außer Frage. Und sonst? Helmut S. ist wegen Sexualdelikten vorbestraft. Seine Biografie ist gespickt von Gefängnisaufenthalten. Und: seine Halbschwester hat ihn im Zeugenstand der versuchten sexuellen Nötigung im Teenageralter bezichtigt.

Frank Wunderlich hat sich das ebenso angehört wie die Ergebnisse der Obduktion seiner Schwester. Qualvoll war sie gestorben, hatten die Rechtsmediziner gefolgert, und mit zahlreichen Verletzungen im Genitalbereich. Gefunden wurde die Stickerin einen Tag nach der Tat - nackt und auf dem Bauch liegend unweit ihres Mopeds.

Mord an Heike Wunderlich: Viele offene Fragen im Prozess in Zwickau

Schon seit fast vier Monaten sucht die Kammer nach der Wahrheit. Doch auch nach 21 Verhandlungstagen bleiben zahlreiche Fragen und Rätsel. Wo ist der Film, der neben Fotos am Tatort aufgenommen wurde? Warum ist keine Blutprobe mehr von Heike Wunderlich vorhanden? Weshalb ist eine bei der Obduktion in der Leiche gefundene Münze verschwunden? Wie sind sich Täter und Opfer begegnet? Die Verteidigung hält die Münze wegen einer psychologischen Täterbeurteilung für wichtig. Die Nebenklage hält dagegen. „Es ist nicht der Entlastungsbeweis verschwunden“, sagt Anwalt Guido Zengerle.

Und dann bleibt die Frage: Ist der Angeklagte tatsächlich der Täter? Neben der Tatsache, dass drei Jahrzehnte seit der Tat vergangen sind, hat der Fall noch eine weitere Tücke. Helmut S., ein gebürtiger Zwickauer, ist nach einem Schlaganfall 2012 halbseitig gelähmt. Zu den Vorwürfen hat er sich nicht geäußert. Sprechen fällt ihm schwer. Pro Tag ist er laut einem Gutachten nur für maximal zwei Stunden mit einer Pause dazwischen verhandlungsfähig. Dennoch ist er seit Anfang März nicht mehr im Haftkrankenhaus Leipzig, sondern in der JVA Zwickau.

Angeklagter im Mordfall Heike Wunderlich nach Schlaganfall halbseitig gelähmt

Seine Pflichtverteidiger sagen, wegen der Einschränkungen gebe es nicht nur Verständigungs-, sondern auch Verständnisprobleme mit ihrem Mandanten. Unklar ist, ob Helmut S. schuldfähig ist. Sollte die Staatsanwaltschaft dies von einem forensischen psychiatrischen Gutachter beurteilen lassen wollen, werde er einen Antrag wohlwollend prüfen, sicherte der Vorsitzende Richter Klaus Hartmann zu.

Die Beobachtungen von Wunderlich sind andere. Man sehe, dass der Angeklagte mit den Anwälten kommuniziere. „Es ist schwer für mich zu sehen, wenn er lacht.“ Unmittelbar im Anschluss an seine Vernehmung hatte er Helmut S. Schauspielerei vorgeworfen und ihn verbal attackiert. „Die Gesundheit ist uns egal. Wir spucken auf dich.“

Fortgesetzt wird der Prozess am 19. April. Bis zum 14. August hat das Gericht 41 Verhandlungstage terminiert. „Wir sind mittendrin. Es gibt noch viel zu tun“, sagt Anwalt Andreas Bönisch.
Die Verfahrensdauer macht der Familie von Heike Wunderlich zu schaffen. Frank Wunderlich wünscht sich ein schnelles Ende. „Je länger es dauert, desto schwieriger ist es für uns - vor allem für die Mutter“, sagt er. (dpa)