Finanzgeschichte Finanzgeschichte: Mit Marx und Mähdrescher
Halle/MZ. - Fast 20 Jahre lang hatte sie jeder Ostdeutsche in seiner Tasche: Thomas Müntzer mit der Mähdrescherbrigade bei der Ernte, Clara Zetkin mit der jungen Frau in der Schaltzentrale, Johann Wolfgang von Goethe und die aus der neuen Schule stürmenden Kinder und die Industrieanlage oder den blauen Hunderter mit Karl Marx und dem Berliner Palast der Republik. Vertraut waren sie damals, die von der Staatsbank der DDR schrittweise von 1973 bis 1978 ausgegebenen Geldscheine zu 5, 10, 20, 50 und 100 Mark. 1985 wurde die Ausgabe von zwei weiteren Scheinen zu 200 und 500 Mark beschlossen, deren Ausgabe jedoch der Herbst 1989 verhinderte.
Der Start für das letzte und am längsten umlaufende Geld der DDR war zunächst erstaunlich. Das Westberliner Institut für Wirtschaftsforschung sorgte 1973 für Schlagzeilen, als es feststellte, dass die DDR-Mark mehr Kaufkraft als die D-Mark entwickelt hätte. Die Aufwendungen für einen vierköpfigen Arbeitnehmerhaushalt lagen im Vergleich bei 992 DM gegenüber 979 Mark der DDR.
Wer diese Scheine heute in die Hand nimmt, ist über ihr ungewöhnliches Format überrascht. Sie sind zierlich, sogar schmal. Unmodern wirken sie nicht. Die Farben wechseln von kalten zu warmen Tönen. Auch wenn sie nicht richtig knistern können, bestehen sie aus einem griffigen Banknotenpapier. Der Druck erfolgte erstmals in der DDR selbst, in der Leipziger Wertpapierdruckerei. Den Kupferstich besorgte die Leipziger Künstlerin Margot Bitzke. Offiziell hat die Staatsbank die Namen der Gestalter nicht benannt. Diese Scheine waren bereits die vierte Serie der DDR. Nun hieß es nicht mehr "Deutsche Mark", auch nicht mehr "Mark der Deutschen Notenbank", sondern selbstbewusst "Mark der DDR".
Dem Volkswitz waren diese Scheine von Beginn an ausgesetzt. So ist zum Beispiel im Mähdrescher auf der Rückseite des 5-Mark Scheins kein Fahrer erkennbar - weil hierfür doch niemand arbeitet. Den realen Wert dieses Geldes deckt die 1959 eingeführte Verrechnungseinheit "Valuta-Mark" auf. Sie diente zur Umrechnung der Weltmarktpreise. Konnten 1970 für eine Mark der DDR noch 0,537 Valuta-Mark erwirtschaftet werden, sank diese Verrechnung 1988 auf nur noch 0,246 Valuta-Mark.
Im Jahr 1988 mussten für 1 DM in der DDR bereits Werte in Höhe von 4,40 Mark erwirtschaftet werden. Darüber hinaus diskreditierte die DDR ihre Währung durch umfangreiche Verkäufe auf westeuropäischen Geldmärkten weiter selbst. Die staatlichen Währungsdoktrinen wurden zum schlichten Etikettenschwindel. Politisch anspruchsvoll war die "Ostmark" von Beginn an.
Bei den Währungsreformen 1948 gab es im Westen zunächst ein Kopfgeld von 40, im Osten sogar 70 der nun geteilten neuen Deutschen Mark. Die anfängliche Ausstattung mit Bar- und Buchgeld, errechnet aus allen Umstellungsmaßnahmen, lag im Osten bei etwa 600 Mark pro Kopf, während im Westen nur etwa 275 Mark zur Verfügung standen. Beschworen wurde in der DDR das Verhältnis von 1:1. Da jedoch praktisch die Westmark nur auf- und nicht verkauft wurde, stürzte der Kurs der "Ostmark" bereits im Dezember 1948 auf 17 Pfennige West.
Dies entsprach zwar nicht der relativ hohen Binnenkaufkraft. Doch etablierte sich die westdeutsche Mark mit dem Beitritt zum Internationalen Währungsfonds 1952 und der im Dezember 1958 erfolgten Konvertierbarkeit zu einer anerkannten weltweiten Anlage- und Reservewährung. Daran konnte auch die von der Regierung der DDR im Oktober 1953 verkündete Goldparität von 0,399902 Gramm nichts ändern. Viele politische Entscheidungen diskreditierten die ursprüngliche Idee von der stabilen neuen ostdeutschen Mark. Herauszuheben ist aus heutiger Sicht die fast unglaubliche "Aktion Blitz", die am Sonntag, den 13. Oktober 1957 stattfand. Ab 8 Uhr wurde die Bevölkerung informiert, dass zwischen 12 und 22 Uhr desselben Tages alle ihr gesamtes Geld persönlich umtauschten mussten. Bis maximal 300 Mark war dies in bar möglich, höhere Beträge wurden Konten gutgeschrieben. Alle Beträge über 1 500 Mark wurden geprüft. Die DDR-Propaganda feierte diese Aktion als großen Erfolg. Der Kurs in der Berliner Wechselstuben pendelte sich aber bereits wieder auf 1:4 ein. Diese Aktion wirkte auf das Vertrauen der Bevölkerung verheerend. Die Qualität der neuen Geldscheine erreichte "nicht das Niveau der alten Banknoten" urteilte die Kommission der Berliner Notenbank, die bereits 1964 wieder neue Banknoten ausgab. Sie lehnten sich gestalterisch an die Traditionen der Kaiserzeit an, und führten sie sozialistische Sinnbilder ein.
Nach dem Bau der Mauer 1961 begann sich die Westmark als Zweitwährung in der DDR zu etablieren. Über 400 Intershops akzeptierten nur Zahlungen in konvertierbaren Währungen. Spätestens 1974, mit der offiziellen Erlaubnis der privaten Einfuhr der D-Mark, entstand letztendlich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der DDR. Dies zeigte sich insbesondere 1979, als die Bürger gezwungen worden, vor dem Einkauf ihre Westmark in Forumschecks zu tauschen. Die Mehrheit der DDR-Bürger wird sich noch an das Synonym "blaue Fliesen" oder die Frage "Forum geht's" erinnern.
Die Regel war aber die kleine private Reserve an richtigem Geld. Die Deutschen erlebten mit ihrem Geld im 20. Jahrhundert immer wieder traumatisch nachwirkende Katastrophen: die Aufhebung der Golddeckung für das Papiergeld am 31. Juli 1914, die Inflation und die Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg, die Deflation 1929, den kompletten Wertverlust der Reichsmark 1945, den nach dem Schwarzmarkt die Währungsreformen 1948 realisierten.
Die deutsche Währungsunion 1990 wurde mit größtem Jubel begrüßt und trotz unermesslicher Transfers von dramatischen wirtschaftlichen Einschnitten begleitet. So gehört wohl ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber jeglicher Veränderung und Manipulation an der Währung inzwischen zum deutschen Wesen.
Der Autor ist Kustos des Landesmünzkabinett in der Stiftung Moritzburg Halle, dem Kunstmuseum des Landes