Fahrradwerk Nordhausen Fahrradwerk Nordhausen: Schrauben bis zum Ende

Nordhausen/dpa. - Seit Montag laufen wieder Fahrräder vom Band des von den Beschäftigten besetzten Nordhäuser Fahrradwerks «bike systems». Die knallroten Fahrrädern werden als «Strike Bikes» verkauft und weisen zwei Besonderheiten auf: Sie werden nur in einerlimitierten Auflage von 1805 Stück hergestellt, und es handelt sich um ein von der Belegschaft des thüringischen Betriebs in eigener Regie entworfenes und hergestelltes Produkt.
Die Fahrräder waren in den vergangenen Wochen in einer Gemeinschaftsaktion mit dem Hamburger «Café Libertad» und dem Verein «Bikes in Nordhausen e.V.» zum Stückpreis von 275 Euro per Internet verkauft worden. Die Montage der «Strike Bikes» sei der letzte Akt der am 10. Juli begonnenen Werksbesetzung durch die Belegschaft, sagt Betriebsrätin Ute Pauly.
«Die Arbeit wird bis Ende der Woche dauern», erläutert Pauly. Am30. Oktober werde es noch eine Abschiedsfeier geben, am Tag danach «räumen wir auf». Am 1. November werden die Mitarbeiter, von denen die meisten zwischen 30 und 45 Jahren alt sind, voraussichtlich in eine Transfergesellschaft wechseln. Zwar sei diesbezüglich «noch nichts unterschrieben», sagt Pauly. Man gehe aber davon aus, dass ein Interessenausgleich zustande komme.
Mit der Transfergesellschaft wäre zumindest eine Forderung derMitarbeiter an den Eigentümer des Betriebs erfüllt. DieUS-Investmentgesellschaft Lone Star hatte das Werk vor zwei Jahren von der Biria-Gruppe übernommen. Bis zu 250 000 Fahrräder wurden pro Jahr für Großabnehmer produziert. Zuletzt sei so viel Arbeit dagewesen, dass zusätzlich 160 Leiharbeiter beschäftigt worden seien, berichtet Paulys Kollege Manfred Handke.
Doch im Sommer war Schluss. Ende Juni sei die Produktioneingestellt worden. Am 10. Juli habe die Geschäftsführung denBeschäftigten mitgeteilt, dass kein Geld für einen Sozialplan da sei, sagt Handke. Spontan, so der offizielle Sprachgebrauch derBelegschaft, wurde die «Betriebsversammlung» auf den Werkshofverlagert, wo sie bis heute andauert.
Für ihre öffentlichkeitswirksame Aktion gegen die «Heuschrecke»aus Amerika erhielten die Besetzer viel Sympathie. Politiker von Land und Kommune statteten ihnen Besuche ab, Nordhäuser Supermärkte schickten Lebensmittel, Autofahrer hupten solidarisch beim Vorbeifahren.
Gerettet werden konnten die Arbeitsplätze bei «bike systems» abernicht. Mit der Produktion der «Strike Bikes» will die Belegschaftjedoch beweisen, dass ihr Betrieb arbeitsfähig ist - falls sich dochnoch ein Investor für das ab November unter Insolvenzverwaltungstehende Werk findet.
«Das Material haben wir selbst eingekauft, von dem im Voraus vonden Käufern bezahlten Geld», sagt Pauly. Im Rahmenbau, in derSpritzerei oder bei der Endmontage - überall seien die Leute «mitSpaß bei der Arbeit». Von Euphorie will die Betriebsrätin indes nichtsprechen. «Die wäre angebracht, wenn es tatsächlich einen Investorgäbe», sagt sie.