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Extra Extra: Rückkehr nicht ausgeschlossen

Von Jochen Loreck 13.11.2007, 20:06

Berlin/MZ. - Der Noch-Arbeitsminister und Noch-Vizekanzler Franz Müntefering (67) will nicht der politischen Fahnenflucht gescholten werden. Der Sauerländer, der sich besonders auf die Kunst der kurzen Sätze versteht, gibt seiner Stimme Festigkeit und versichert, er habe keine politischen, sondern rein private Gründe für seinen Abschied vom Kabinettstich: "Das ist kein Ausstieg. Müde bin ich nicht." Im überfüllten Saal der Bundespressekonferenz in Berlin macht "Münte" deutlich, dass er sich in den nächsten Wochen und Monate vorrangig dem seelischen Beistand seiner schwer erkrankten Ehefrau Ankepetra (61) widmen will.

Spätere Rückkehr in die politische Arena nicht ausgeschlossen: "Vielleicht habe ich später wieder mehr Zeit für Politik." Auf jeden Fall will er einstweilen sein Bundestagsmandat behalten. Und 2009 wieder kandidieren? Auf diese Frage antwortet der SPD-Mann: "Das eher nicht." Aber: Gar zu gern wolle er noch bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2010 mitmischen, "um die Scharte auszuwetzen". Die Scharte - das ist die Tatsache, dass sich die Rhein-Ruhr-SPD im Mai 2005 nach 39 Düsseldorfer Regierungsjahren in die Opposition verabschieden musste.

In der SPD-Bundestagsfraktion ist die Stimmung ernst und bedrückt. Flügelübergreifend ist mit Blick auf Münteferings Entscheidung von "Bedauern", "Respekt" und "großer Hochachtung" die Rede. Umwelt-Staatssekretär Michael Müller unterstreicht: "Der Franz hat mir gesagt, sein Rücktritt habe bereits vor der Koalitionsrunde in der vergangenen Nacht festgestanden." Klares Motiv dieser Feststellung: Allen Spekulationen, Müntefering habe letztlich aus Frust wegen der jüngsten Differenzen mit Parteichef Kurt Beck hingeworfen, soll jetzt von vornherein energisch der Boden entzogen werden.

Ähnlich deutet auch SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer den plötzlichen Rückzug: "Wenn Müntefering wirklich aus politischen Gründen hätte zurücktreten wollen, dann hätte es für ihn vorher schon Gelegenheit genug geben."

Im kleinen Kreis hat Müntefering gelegentlich durchblicken lassen, wie sehr ihn die schwere Erkrankung seiner Frau Ankepetra persönlich belastet. Sie ist Anfang November in der Universitätsklinik Bonn operiert worden. Müntefering: "Es war die fünfte Operation seit 2001." Wegen ihres kritischen Zustands verzichtete Müntefering bereits auf die Teilnahme an der Koalitionsrunde vom 4. November. Den Zwiespalt zwischen politischer Verantwortung und privater Sorgenlast beschrieb Müntefering mitunter mit einer Prise Sarkasmus: "Ich muss mich jetzt mehr um das Familiäre kümmern. In Berlin bin ich nur noch auf Montage." Bereits im Sommer ist Münteferings Ehefrau vom alten Wohnort Sundern im Sauerland nach Bonn umgezogen - wegen der medizinischen Behandlung, aber auch weil dort eine Tochter wohnt.

Müntefering betont, die Krankheit seiner Frau habe ihn "mit voller Wucht getroffen". Denn: "Das ist etwas, was einen anstrengt, weshalb man zu wenig schläft." Besonders sorgenvoll verlief das Jahr 2002. "Damals", so Müntefering "habe ich viel Verständnis gefunden bei Gerhard Schröder."

SPD-Vizechefin Andrea Nahles spricht am Abend von einer "Zäsur für die Koalition". Nahles, die vor zwei Jahren gegen den Willen Münteferings zur SPD-Generalsekretärin aufsteigen wollte und damit Anlass für den Rücktritt des Sauerländers vom Parteivorsitz gab, zieht das Fazit: "Der Minister Müntefering wird uns fehlen, aber - davon bin ich überzeugt - die Müntefering-Agenda wird bleiben." Soll heißen: An Zielen und Ausrichtung der SPD soll sich nichts ändern.

Die SPD - die nicht gerade günstigen Umfragezahlen im Nacken - wird demnach mehr denn je um ihr eigenes Profil bemüht sein. Immerhin stehen ja Ende Januar Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen, Ende Februar dann in Hamburg an. In allen drei Ländern stellt die CDU den Regierungschef, die SPD sitzt jeweils auf der Oppositionsbank. Bis zu den Urnengängen will die SPD so weit wieder Tritt fassen, dass sie zumindest wieder in die Nähe der Regierungsbeteiligung kommt.

Kampfansagen scheinen ganz im Sinne des katholischen Vollblutpolitikers Müntefering. Den treibt - wie in einem früheren Interview betont - die Sorge um, die SPD könnte aus Frust über Kompromisse und Nichterreichtes in der Großen Koalition wieder Sehnsucht auf Opposition verspüren: "Die SPD hat eine historische Schwäche. Wir waren zu häufig Opposition. Die wurde bekämpft. Das hat eine Mentalität geschaffen: Den anderen gehört eigentlich das Land. Diese Mentalität behindert uns."

Stattdessen solle gelten: "Nicht Besser-wissen sondern Besser-machen. Man muss das Land regieren wollen, und zwar nicht als Rotkreuz-Wagen, der die Mühseligen auflädt. Die SPD muss sagen: Wir machen das Ganze besser. Nicht nur: Wir machen Sozialpolitik besser."