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Energie Energie: Untersee-Stromkabel zwischen Deutschland und Norwegen

Von Jakob Schlandt 04.12.2012, 16:43

Berlin/MZ. - Es wäre mit 600 Kilometern das längste Stromkabel der Welt: Ab 2018 soll Elektrizität direkt vom Südzipfel Norwegens nach Deutschland und umgekehrt fließen. Die Energiewende kommt damit voran, denn Norwegen kann durch das Kabel überschüssigen deutschen Ökostrom aufnehmen und andersherum Deutschland mitversorgen, wenn es hier knapp wird. Am Dienstag unterzeichneten die beiden Netzbetreiber Statnett aus Norwegen und Tennet Deutschland sowie die hiesige Förderbank KfW einen entsprechenden Vertrag.

Kapazität eines Kraftwerks

Bis 2018 wollen die drei für 1,5 bis zwei Milliarden Euro ein Kabel mit 1 400 Megawatt Kapazität fertigstellen. Damit könnte maximal so viel Strom durch die Nordsee fließen, wie ein großes Atomkraftwerk produziert. Das Kabel wird mit der sogenannten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung ausgestattet.

Der Großteil unseres Stromnetzes wird mit Wechselspannung betrieben. Per Gleichstrom kann jedoch die Elektrizität über große Entfernungen effizienter übertragen werden. Der Verlust dürfte deutlich unter vier Prozent liegen. Der norwegische und der deutsche Strommarkt werden mit dem neuen Kabel ein wenig zusammenwachsen. Das bringt den beiden sehr unterschiedlichen Märkten jeweils Vorteile, weil sie sich in kritischen Phasen gegenseitig helfen können. In Deutschland schwanken die Preise an der Strombörse durch den Ausbau der erneuerbaren Energien immer stärker. Bläst der Wind und scheint die Sonne, ist Strom im Überfluss vorhanden. Andersherum drohen in Zukunft häufiger Knappheiten, wenn kaum regenerativer Strom im Netz ist. Denn nach und nach werden die restlichen Kernmeiler abgeschaltet und auch die Zahl der Kohle- und Gaskraftwerke soll sinken.

Norwegen gewinnt seinen Strom dagegen jetzt schon zu 99 Prozent aus Wasserkraft. Wenn es viel regnet, ist Strom im Überfluss vorhanden. Bei großer Kälte und wenig Niederschlag wird es allerdings auch in Norwegen manchmal eng. Mit dem neuen Kabel können sich die beiden Märkte nun direkt gegenseitig aushelfen. Bislang korrespondierten die Märkte nur indirekt: Es gibt Unterseekabel, die Holland und Dänemark mit Norwegen verbinden.

Die Verbindung Niederlande-Norwegen wurde 2008 eröffnet und ist die bisher längste direkte Stromleitung der Welt. Von Anfang an verdienten die Betreiber viel Geld: Sie konnten wegen der Preisunterschiede in Norwegen und Holland hochprofitabel Strom hin und her schicken. Das deutsch-norwegische Kabel dürfte also gute Gewinne abwerfen. Doch mit dem Strom aus dem Kabel lassen sich nur etwa zwei Prozent des maximalen Stromverbrauchs in Deutschland decken.

Natürliche Grenzen

Die lange gehegte Vorstellung, Norwegen könnte zum riesigen Speicher für deutschen Ökostrom ausgebaut werden, wird heute als unrealistisch bewertet. Unternehmen und Politik betonen, dies sei nicht möglich, weil Leistung und Kapazität der Wasserkraftwerke drastisch erhöht werden müssten - was zu sehr viel stärker schwankenden Wasserspiegeln in den vielen Stauseen führen würde.

Hinzu kommt das Problem, dass jedes neue Kabel die Strompreise zwischen den beiden Ländern angleicht und damit die Gewinnmarge für die Betreiber aller Verbindungen senkt. Laut den Plänen der Erbauer des ersten Kabels soll eine zweite Strombrücke erst in den späten 2020er-Jahren folgen.

Wo die neue Trasse verlaufen soll, wird noch untersucht. Auf deutscher Seite kommen Anlandepunkte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen in Betracht.