EADS sticht Boeing bei 40-Milliarden-Vertrag aus
Paris/Washington/Hamburg/dpa. - Der europäische Flugzeugbauer Airbus will nach seinem Milliarden-Auftrag von der US-Luftwaffe mehr Mitarbeiter in der Fertigung einstellen.
Mit dem Großauftrag über rund 40 Milliarden Dollar von der US-Luftwaffe hat Airbus einen Riesencoup gelandet und seinen langjährigen Rivalen Boeing einen empfindlichen Schlag verpasst. Auch die Airbus-Werke in Europa sollen davon profitieren. In der Fertigung sollen zusätzlich Mitarbeiter eingestellt werden, sagte EADS-Chef Louis Gallois. EADS mit seiner Tochter Airbus erhielt zusammen mit dem US-Partner Northrop Grumman den Auftrag für 179 Tankflugzeuge und wird ein neues Produktionswerk in den USA bauen. Der unterlegene Konkurrent Boeing reagierte enttäuscht und denkt derzeit über weitere Schritte nach.
Nach den Turbulenzen um Produktionsverzögerungen beim Superjet A380 und dem Sanierungsprogramm Power8 schloss Airbus-Chef Tom Enders einen weiteren massiven Stellenabbau aus. «Wir können bei den vollen Auftragsbüchern nicht gleichzeitig noch einmal mehrere 1000 Stellen abbauen, man darf die Schraube nicht überdrehen», sagte Enders dem «Tagesspiegel» (Montag). Das Sparprogramm Power8 habe im ersten Jahr seine Ziele übererfüllt und zu Kosteneinsparungen von mehr als 300 Millionen Euro geführt. Von den bis 2010 einzusparenden 10 000 Stellen im Verwaltungsbereich seien bereits 30 Prozent abgebaut, sagte Enders.
Der Sprecher der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, sagte der dpa «Airbus ist innovativ und wettbewerbsfähig». Das beweise der Auftragsboom und der neue Vertrag in den USA. «Sämtliche Werke brummen. Für Personalabbau und Werksverkäufe ist da kein Platz.» Die Airbus-Sanierung umfasst auch den Verkauf von sechs Werken, in Deutschland sind Varel, Nordenham und Augsburg betroffen.
Der französische Gewerkschaftsvertreter Xavier Petrachi befürchtet: «Die Globalisierung der Produktion wird am Ende Arbeitsplätze in Europa kosten.» Er fügte hinzu, «ein Werk in den USA, ein anderes in China - wir fragen uns, wie weit die Auslagerung der Produktion noch gehen soll.»
Die künftigen Tankflugzeuge der Air Force mit der Bezeichnung KC- 45A basieren auf der A330 MRTT, der militärischen Variante des in Toulouse gefertigten Airbus-Großraumflugzeugs A330. Sämtliche deutsche Airbus-Werke seien an der Produktion der A330 beteiligt und würden dann auch Teile in die USA liefern, sagte ein Sprecher von Airbus Deutschland am Sonntag der dpa. So werden im größten deutschen Airbus-Werk in Hamburg die vordere und die hintere Sektion für das Flugzeug gebaut, in Stade das Seitenleitwerk, in Bremen die Flügelausrüstung. Auch Nordenham, Varel und Laupheim liefern zu.
Gallois kündigte an, dass im südlichen US-Bundesstaat Alabama eine Endfertigungslinie entstehen wird. Aber die Teile für den Tanker sollen weiter in den europäischen Werken gefertigt werden, betonte er. In dem geplanten neuen Werk im Ort Mobile sollen zusätzlich auch zivile Airbus-Frachter vom Typ A330 montiert werden. «Damit entsteht erstmals seit 40 Jahren wieder ein großes Flugzeugwerk in den USA», sagte Enders. Die ersten vier Flugzeuge seien bereits in Arbeit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete den US-Auftrag als «Riesenerfolg für Airbus und die europäische Luftfahrtindustrie». Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sprach von einem «historischen Erfolg». In den USA reagierten Kongressabgeordnete mit Empörung: «Dies ist ein Schlag gegen die US-Flugzeugindustrie».
Gallois wies Spekulationen über eine massive Preissenkung während der Verhandlungen zurück. EADS habe den Auftrag nicht bekommen, weil er den Preis gesenkt habe, sondern «wegen der Qualität des Flugzeugs», sagte Gallois der Zeitung «Le Journal du Dimanche» (Sonntag). «Die amerikanische Regierung hat die Bewerber gerecht behandelt», fügte er hinzu. Mehr als die Hälfte des Auftragsvolumens gehe an EADS, sagte Gallois. Den Rest teilten sich die US-Partner Northrop Grumman, der für die militärische Ausstattung sorge, und General Electrics, der für die Motoren verantwortlich sei.
Der Dollar-Verfall bereite weiterhin Sorge, erklärte Enders. «Wenn der Dollar um zehn Cent fällt, müssen wir eine weitere Milliarde Euro einsparen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu halten.» Besonders beunruhigend sei die Geschwindigkeit, mit der der Dollar an Wert verliere. Dennoch werde Airbus 2008 wieder in die Gewinnzone zurückehren. Angesichts des schwachen Dollar bleibe Airbus gar nichts anderes übrig, als nach weiteren Einsparungsmöglichkeiten zu suchen, sagte Enders. Er sehe eine rasch steigende Tendenz, außerhalb des Euroraums zu produzieren.
Die Vergabe des Auftrags an EADS und Northrop gilt als Überraschung, da die US-Regierung erst kürzlich die Ausschreibung zugunsten von Boeing geändert hatte. Boeing belieferte die US- Streitkräfte seit 50 Jahren mit den Spezialflugzeugen. Da binnen 30 Jahren alle 600 Tankflugzeuge der US-Streitkräfte erneuert werden sollen, ist diese Erstvergabe besonders brisant. 100 Milliarden Dollar Auftragswert könnten zukommen. EADS hatte zuvor angekündigt, im Fall des Zuschlags rund 600 Millionen Dollar in Alabama zu investieren.
Nach Angaben der US-Air Force läuft der Auftrag über rund 10 Jahre. Das erste Testflugzeug soll 2010 abheben, der Einsatz der ersten Flugzeuge sei dann ab 2013 vorgesehen.