Drogerie-Kette Drogerie-Kette: Bürgerkonsum statt Schlecker-Filiale
Chemnitz/Meiningen/dpa. - In Sachsen und Thüringen wird über die Gründung neuer Genossenschaften zur Übernahme bisheriger Filialen der insolventen Drogerie-Kette Schlecker nachgedacht. „Die Voraussetzungen sind günstig: Wir haben kompetente Verkäuferinnen und zumindest im ländlichem Raum Läden, die sonst leerstehen“, sagte der Vorstandschef des Mitteldeutschen Genossenschaftsverbands, Gerald Thalheim, der Nachrichtenagentur dpa am Samstag in Chemnitz. Noch sei aber nichts spruchreif.
Die Initiative ging von gekündigten Schlecker-Mitarbeiterinnen aus. „Wir wollen uns selbstständig machen - und dabei so wenig Risiko wie möglich eingehen“, sagte Betriebsrätin Doreen Krieg aus Meiningen der Nachrichtenagentur dpa am Samstag. Zum Weiterbetrieb der Filiale, in der sie selbst bis Ende Juni tätig war, gebe es bereits am Montag die nächsten Gespräche. Sowohl der Bürgermeister der Stadt als auch das Thüringer Wirtschaftsministerium hätten schon Unterstützung signalisiert.
„Das Schlecker-Ende reißt in bestimmten Gebieten große Lücken in die Nahversorgung - und in die wollen wir rein“, sagte Krieg, die im Schlecker-Gesamtbetriebsrat Thüringen vertritt - und sich weitere Nachahmer vorstellen kann. Verbandschef Thalheim verwies darauf, dass mithilfe der Gewerkschaft Verdi auch in Sachsen nach bisherigen Schlecker-Standorten Ausschau gehalten werde, die als genossenschaftlicher Betrieb infrage kommen könnten.
Thalheim warnte zugleich davor, allein die Beschäftigungsperspektive für die Schlecker-Frauen in den Mittelpunkt zu stellen. „Wichtig ist ein tragfähiges Geschäftsmodell.“ Dafür brauche man auch örtliche Unterstützung: „Ohne Kundschaft wird es nicht gehen“, betonte Thalheim. „Wenn die Bevölkerung das Geschäft nicht als eigenen Laden empfindet, dann funktioniert das nicht langfristig“, sagte er.
Thalheim verwies auf zwei erfolgreiche Beispiele für Dorfläden im erzgebirgischen Bad Schlema und im mittelsächsischen Falkenau. Ein dritter Bürgerkonsum werde im November in Langenhessen (Landkreis Zwickau) eröffnet. Ein Bürgerkonsum könne sich aber nur tragen, wenn die Kundschaft ihren gesamten Wocheneinkauf für die Familie dort erledige und nicht nur das hole, was sie Supermarkt in der Stadt vergessen hat, fügte Thalheim hinzu. Neben der „Solidarisierung der Bürger“ sei auch die Unterstützung durch Land und Kommune nötig. Das Thüringer Wirtschaftsministerium habe bereits die Förderung eines „Gründungscoachings“ für die ehemaligen Schlecker-Frauen zugesagt.
Genossenschaftliche Entscheidungen basieren auf dem Prinzip „Ein Mitglied, eine Stimme“ - völlig unabhängig vom eingebrachten Kapital. Thalheim sieht in Genossenschaften einen „Gegenentwurf“ zum ausschließlich auf Rendite ausgerichteten Kapitalismus, der sich zurzeit in einer „Sinnkrise“ befinde. Dies beflügele momentan die Genossenschaftsidee. Eine Erfolgsgarantie für Genossenschaften gibt es aber auch in Krisenzeiten nicht: Der Konsum Dresden, der im Herbst 2011 vom MGV in einen anderen Genossenschaftsverband gewechselt war, musste zuletzt einen herben Rückschlag verkraften: Wegen mangelnder Umsätze zieht er sich aus Nordbayern zurück. Damit ist die vor Jahren vielbeachtet Expansion in den Westen gescheitert.
Thalheim ist seit Ende Mai Vorstandssprecher des Mitteldeutschen Genossenschaftsverbands, dem rund 600 Mitgliedsunternehmen angehören. Thalheim saß von 1990 bis 2005 für die SPD im Bundestag, von 1998 bis 2005 war der heute 62-Jährige Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium.