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Die SPD und Dagmar Metzger Die SPD und Dagmar Metzger: Freiheit ist wertvoller als Fraktionsdisziplin

Von Jochen Loreck 09.03.2008, 20:24

Halle/MZ. - Hehre Worte, die sinngemäß auch so im neuen Grundsatzprogramm der Sozialdemokraten - beschlossen im Herbst 2007 - nachzulesen sind. Aber: Die real existierende SPD ist gerade dabei, dem eigenen freiheitlichen Anspruch massiv zuwider zu handeln.

Der Druck, den jetzt die SPD-Führung auf die hessische Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger ausübt, nachdem diese Frau erklärt hat, sie wolle den Linksschwenk ihrer Partei nicht mitmachen, erinnert fatal an Mobbing am Arbeitsplatz. Nur weil sie in einer zentralen Frage an Parteibeschlüssen festhält, die vor der hessischen Landtagswahl einvernehmlich so festgelegt worden sind, soll Dagmar Metzger jetzt, so wird's verlangt, das Mandat niederlegen. Ein solches Ansinnen widerspricht dem Geist des Grundgesetzes, wonach Abgeordnete ein freies Mandat haben, an "Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind".

Wer sich wie die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti an diesem Prinzip stößt, der sollte dann ehrlicherweise den Verbleib im Parlament von der Einführung eines Gesinnungs-TÜV abhängig machen. Oder Frau Ypsilanti lässt sich von sämtlichen 42 SPD-Landtagsabgeordneten in Wiesbaden eine Abstimmungsvollmacht geben: Die Parlamentarier brauchen dann gar nicht erst ins Plenum zu kommen. Dafür hält Frau Ypsilanti eine große Stimmkarte in die Höhe, auf der zu lesen ist: 42 mal Ja, 42 mal Nein - je nachdem wie es zuvor fraktions-intern festgelegt worden ist.

Klar: Parteien wünschen sich Geschlossenheit, halten Geschlossenheit für einen Wert an sich. Gerade Fairness und Offenheit im Umgang der Mitglieder untereinander ist Voraussetzung und Bedingung dafür, gemeinsame Standpunkte zu erarbeiten und nach außen zu vertreten. Doch die Sehnsucht nach möglichst viel Konsens darf nicht durch die Unkultur des Kasernenhof-Gehorsams erzwungen werden. Genau dieses zentralistische Denken in der SPD entfaltet jedoch nun seine vergiftende Wirkung und führt damit unweigerlich zu einer weiteren Selbstschwächung der Partei.

Es ist das selbst verschuldete Unglück der SPD, dass sie sich personell und programmatisch derzeit wenig klar und eindeutig zu positionieren vermag. Parteispitze, SPD-Minister, SPD-Fraktion und Landesverbände blinken in verschiedene Richtungen. Ein strategisches Zentrum fehlt. Ungebrochen ist nur der Machtwille: auf Biegen und Brechen in Wiesbaden ran an die Fleischtöpfe der Macht - mag der Flurschaden auch noch so groß sein.

Die Gewissensnöte der Abgeordneten Dagmar Metzger, auf die sie sich beruft, sind durchaus glaubwürdig. Freiheit ist immer höherrangig als Fraktionsdisziplin. Dagmar Metzger verdient Achtung, nicht Ächtung.

Kontakt zum Autor: Jochen Loreck