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Biokraftstoffe Biokraftstoffe: Aus Stroh soll Gold werden

Von Steffen Höhne 16.03.2012, 18:05

Zörbig/Halle (Saale)/MZ. - Es sieht zunächst recht unspektakulär aus: In einer kleinen Fabrikhalle fährt ein Hub-Lader Strohballen zu einer Chemie-Anlage. Das Stroh verschwindet in einem großen metallischen Trichter - mehr sieht, hört und riecht man nicht. Der Vorstandschef des Biokraftstoff-Herstellers Verbio, Claus Sauter, spricht dennoch von einer "kleinen Revolution". Auf dem Gelände der Verbio-Bioethanol-Fabrik in Zörbig (Anhalt-Bitterfeld) ging am Freitag nach Unternehmensangaben die weltweit erste Anlage in Betrieb, die aus Stroh Biomethan erzeugt. Dieses wird an Erdgas-Tankstellen verkauft.

Es ist ein radikaler Wandel des Produktionsverfahrens. Die heute bereits gängigen Biokraftstoffe der ersten Generation werden aus stärkehaltigen Feldfrüchten wie etwa Weizen oder Öl-Pflanzen (Raps) produziert. Bei der Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation werden hingegen nur die zellulosehaltigen Bestandteile der Pflanze genutzt. Der Vorteil: Die Konkurrenz zwischen Treibstoff und Nahrungsmitteln entfällt. Mehrere internationale Konzerne treiben Forschungsprojekte voran. Es winkt ein Milliarden-Markt.

Verbio hat in die Pilotanlage, die an eine bestehende Biomethan-Anlage gekoppelt ist, bescheidene 2,5 Millionen Euro investiert. "Wir haben allerdings fünf Jahre an dem Projekt geforscht", sagt Sauter. Dabei wurde ein thermisches Verfahren entwickelt, in dem aus Stroh zunächst Roh-Biogas und dann Biomethan in Erdgasqualität produziert wird. "Wir beliefern vor allem Erdgas-Tankstellen von Stadtwerken", so Sauter. Das hergestellte Biomethan sei nicht subventioniert und werde zu Erdgas-Preisen verkauft. Bis 2014 will das börsennotierte Unternehmen, das zu den großen Biodiesel- und Bioethanol-Herstellern Deutschlands gehört, eine Großanlage errichten.

Auch andere deutsche Konzerne sind aktiv. Sie setzen aber nicht auf Gas, sondern auf flüssigen Sprit. Süd Chemie baut derzeit in Straubing (Bayern) die bislang größte deutsche Biosprit-Anlage, die als Rohstoff Pflanzenreste einsetzt. Süd Chemie verwendet eine Technologie, bei der Zellulose zunächst mit Enzymen zu Zucker umgewandelt wird, um die nachfolgende Vergärung zu Ethanol zu ermöglichen. 1,3 Millionen Liter sollen so jährlich gewonnen werden. Süd-Chemie-Chef Günter von Au sprach zuletzt von "einem großen Schritt hin zur Kommerzialisierung". Der Münchner Gase-Hersteller Linde hat im Februar 2012 die insolvente Choren Industries aus Freiberg (Sachsen) gekauft. Choren stellt bereits seit Jahren Kraftstoff aus Holzresten her. Allerdings gelang es der Firma offenbar nicht, die Kosten so weit zu senken, um marktfähige Produkte anzubieten.Das bisher international größte Projekt hat der niederländische Spezialchemie-Konzern DSM auf den Weg gebracht. Zusammen mit dem US-Ethanol-Hersteller Poet wird in den USA eine 250 Millionen Dollar (191 Millionen Euro) teure Anlage errichtet, die ab 2013 jährlich 80 Millionen Liter Ethanol aus Zellulose produzieren soll. Nach Medienberichten sind auch die US-Chemiekonzerne Dow Chemical und Dupont in der Biosprit-Forschung engagiert.

Fachleute rechnen mit starkem Wachstum im internationalen Biokraftstoffmarkt. Laut einer Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) soll der Anteil des Biosprits am globalen Kraftstoffmarkt bis 2030 von derzeit etwa zwei auf über neun Prozent steigen. Dies sollen vor allem die Biokraftstoffe der zweiten Generation ermöglichen. DSM rechnet damit, dass der Weltmarkt 2020 bei etwa 72 Milliarden Litern liegt. Das Marktvolumen für Ethanol auf Zellulosebasis könnte damit knapp 40 Milliarden Euro erreichen.

Doch bis dahin ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. "Bisher gibt es nur Pilotanlagen", sagt Frank Scholwin, Geschäftsführer des Deutschen Biomasseforschungszentrums in Leipzig. Nach seiner Einschätzung werde es noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis in industriellen Großanlagen zu marktfähigen Preisen produziert wird. Bei Biomethan, wie es Verbio herstellt, sei der Einsatz eher zu erwarten. Laut Scholwin werde daran gearbeitet, die Produktion wirtschaftlich zu machen. Wie teuer Biosprit aus Reststoffen derzeit ist, geben die Unternehmen nicht an. Experten schätzen, dass die Kosten mindestens 50 Prozent über denen für Erdöl-Kraftstoffe liegen.

Die bisher verwendeten Biokraftstoffe der ersten Generation sind zwar kostengünstiger, aber umstritten. Das Geschäft boomte dank Subventionen in den vergangenen Jahren vor allem in den USA und Brasilien. Bei Umweltschützern ist die anfängliche Euphorie allerdings verflogen. Denn Biodiesel und Bioethanol stehen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Sie sollen dazu beigetragen haben, dass die Preise für Mais und Weizen 2008 drastisch gestiegen sind. Zudem haben Wissenschaftler ausgerechnet, dass Biosprit kaum das Klima schützt. So schneidet Ethanol, das aus Mais gewonnen wird, durch den Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und schwererer Landtechnik in der CO2-Bilanz kaum besser ab als Benzin aus Öl. Nach Ansicht von Scholwin würden diese Probleme mit den neuen Biokraftstoffen gelöst.