BGH-Urteil stärkt Rechte der Gaskunden
Karlsruhe/dpa. - Gaspreise für Privatleute dürfen nicht ausschließlich vom Ölpreis abhängen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch entschieden und damit die Rechte der Gaskunden gestärkt.
Ob diese von der Entscheidung profitieren, wird in der Branche allerdings unterschiedlich bewertet, da es an einem wirksamen Wettbewerb mangele.
In einem Grundsatzurteil erklärten die Karlsruher Richter die sogenannte HEL-Preisanpassungsklausel (HEL steht für extra leichtes Heizöl) in Erdgas-Sonderkundenverträgen für unwirksam. Die alleinige Bindung an diesen Faktor benachteilige die Kunden unangemessen, weil sie neben der Abwälzung von Kosten zusätzliche Gewinne ermögliche. Deshalb könne die Koppelung an den Ölpreis nicht Grundlage einer Preisanpassung sein, so die Richter. (Az.: VII ZR 178/08 und VII ZR 304/08 - Urteile vom 24. März 2010)
Mit dem Urteil kippte Karlsruhe Klauseln aus Sonderverträgen der RheinEnergie (Köln) sowie der Stadtwerke in Dreieich bei Offenbach. In beiden Fällen wurden die Gaspreise - umgerechnet nach einer bestimmten Formel - entsprechend dem Index für Heizölpreise angepasst. Der Bund der Energieverbraucher sowie mehrere Kunden hatten dagegen erfolgreich geklagt.
Prinzipiell untersagten die Richter eine Koppelung an den Ölpreis nicht. Die Unternehmen müssten auch planen und kalkulieren können, so die Richter. Als alleinige Grundlage taugt die Bindung an den Ölpreis nach dem BGH-Urteil jedoch nicht. Hintergrund: Mangels eines wirksamen Wettbewerbs gibt es derzeit noch keinen Marktpreis für Gas. Damit fehlen geeignete Faktoren, um Vergleiche anstellen zu können, wie sie gesetzlich erforderlich sind für entsprechende Preisklauseln.
Die Auswirkung des Urteils wurde von der Branche unterschiedlich bewertet. Sinkende Gaspreise erwartet das unabhängige Verbraucherportal toptarif.de jedenfalls kaum. Zentrale Preisbildungsmechanismen - beispielsweise in langfristigen Lieferverträgen - blieben von der Urteil völlig unberührt, so ein Sprecher. Ähnlich schätzt es der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ein: Es sei unklar, wie viele Privathaushalte tatsächlich betroffen seien. «Wir gehen aber davon aus, dass es nicht sehr viele sind, weil es viele unterschiedliche Klauseln gibt», sagte ein Verbandssprecher.
Eine Einschätzung, die die Verbraucherportal verivox.de teilt. Große Auswirkungen jedoch sieht man dort für die Gasversorger. Die umstrittene Koppelung an den Ölpreis habe in der Vergangenheit vor allen Dingen für Gewerbekunden gegolten. «In den vergangen Jahren hat die Gaswirtschaft zunehmend versucht, entsprechende Klauseln bei Privatkunden anzuwenden», erklärte ein Sprecher. Um verlässlich kalkulieren zu können, sei die Branche auf rechtsgültige Preisklauseln angewiesen. «Die muss die Wirtschaft jedoch erstmal finden», meinte er. Das BGH-Urteil hat dies erschwert.
«Wir werden nun alle Verträge von Privatkunden überprüfen müssen», meinte der Geschäftsführer der Stadtwerke Dreieich. Das Urteil stelle das System um und entspreche dem Trend der Zeit, die Gaspreise loszulösen von der Entwicklung beim Öl. Die Branche biete zunehmend Alternativen - beispielsweise Festpreise auf Zeit. Nach Angaben der Kölner RheinEnergie wurde bereits seit Ende 21007 vorsorglich darauf verzichtet, die angegriffene Klausel zu verwenden.
Ein BGH-Sprecher erwartete, dass die Versorger ihre Klauseln umstellen und der Trend weg von der Ölpreisbindung gehen wird. Zahlreiche Gaskunden könnten zudem auf Rückzahlungen hoffen. «Preiserhöhungen, die auf die für unwirksam erklärten Klauseln begründet sind, können zurückgefordert werden», sagte er. Weigerten sich die Versorger, müssten die Verbraucher allerdings klagen.