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Banken und Versicherungen Banken und Versicherungen: Betrugsaffäre bei der Finanzaufsicht zieht Kreise

11.09.2006, 17:23
Jochen Sanio, der Präsident der obersten deutschen Finanzaufsicht BaFin. (Foto: dpa)
Jochen Sanio, der Präsident der obersten deutschen Finanzaufsicht BaFin. (Foto: dpa) dpa

Bonn/Berlin/dpa. - Der Schaden belaufe sich auf mehr als vier Millionen Euro. Das Bundesfinanzministerium äußerte sich besorgt über mögliche Kontrollversäumnisse bei der Behördenleitung.

Der Befund eines Gutachtens von Wirtschaftsprüfern sei als «sehr,sehr ernst» einzustufen, sagte Ministeriumssprecher Torsten Albig inBerlin. Politiker der Opposition sprachen von schwerem Schadenfür den Finanzstandort Deutschland und forderten die Regierung zuschnellem Handeln auf. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müsstenpersonelle Konsequenzen gezogen werden. Auch Koalitionspolitikerverlangten umfassende Aufklärung. Die BaFin, die Banken, Versichererund den Aktienmarkt kontrolliert, wollte sich nicht äußern.

Die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) haben nachAngaben des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» der Führung derBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mangelndeKontrollen im eigenen Haus bescheinigt. Unter anderem habe es bei derBaFin kein zentrales Vertragsmanagement gegeben, Prüfungen der IT-Beschaffung seien mehrere Jahre nicht durchgeführt worden. Das Fehleneiner zentralen Kontrollinstanz habe es ermöglicht, dass einMitarbeiter Millionen habe veruntreuen können.

Der durch einen leitenden Beamten im IT-Bereich verursachteSchaden beläuft sich laut Staatsanwaltschaft mittlerweile auf mehrals 4 Millionen Euro. In den anderen Fällen gehe es um Betrug beiAnstellungen - etwa Stellenbesetzung mit Freunden - und Untreue inder Behörde. Mit einer baldigen Anklage gegen den geständigen Beamtensei zu rechnen, sagte Apostel.

Dem Mann, der im April verhaftet wurde und derzeit von der Haftverschont ist, würden Untreue, Betrug, Bestechlichkeit, Bestechungund Steuerhinterziehung vorgeworfen. Der frühere Referatsleiter sollzusammen mit Partnern aus Firmen Scheinrechnungen für IT-Softwareausgestellt haben. In den anderen Fällen gegen fünf weitere BaFin-Beschäftigte - alle aus dem IT-Bereich der Behörde - werde wegenBetrugs und Untreue noch ermittelt.

Die nächste Verwaltungsratssitzung der Behörde ist bisher für den26. September geplant. Die Entlastung von Sanio für 2005 steht nochaus. Bei der BaFin hieß es lediglich: «Unsere Ansprechpartner indieser Sache sind die Kontrollgremien der BaFin, nämlich dasBundesfinanzministerium und der Verwaltungsrat.» Die Leitung derBaFin werde sich bei dieser Sitzung äußern, sagte ein Sprecher.

Der finanzpolitische Sprecher der Union und Mitglied des BaFin-Verwaltungsrates, Otto Bernhardt (CDU), sagte, «das bishervorliegende Material reicht für eine abschließendeMeinungsbildung nicht aus». Es gebe noch eine Reihe ungeklärterFragen. Es sei daher völlig offen, ob es bei der nächsten Sitzung desVerwaltungsrates zu einer Entlastung von Sanio komme oder nicht.

Dem Gremium, das von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow geleitetwird, gehören neben weiteren Ministeriumsvertretern auchBundestagsabgeordnete sowie Vertreter der Kreditinstitute, vonVersicherungsunternehmen sowie von Kapitalanlagegesellschaften an.

Volker Wissing von der FDP sprach von sehr «massiven Vorwürfen».Der Vorgang habe sich zu einer echten Affäre entwickelt, die negativfür den Finanzstandort Deutschland sei. Die Bundesregierung sollteschnell handeln und Missstände aufklären. Sollten sich die Vorwürfebestätigen, seien personelle Konsequenzen auf allen Ebenen inBetracht zu ziehen. «Es muss aber erst abgewartet werden, wer welchesFehlverhalten zu verantworten hat», sagte Wissing. Die Grünen legtenSanio den Rücktritt nahe, sollten sich die Vorwürfe als richtigerweisen. Die BaFin habe ein großes Problem, wenn es alsAufsichtsbehörde im eigenen Haus mit solchen Missständen zu kämpfenhabe, sagte die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel.