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17. Juni 17. Juni: «Junggesellenabschied» bei PDS und WASG

Von Andreas Rabenstein und Kirsten Baukhage 17.06.2007, 17:38

Berlin/dpa. - Getrennt voneinander waren sie nur durch eine Wand zwischen den benachbarten Hallen. Wenn diese Wand im Kongresshotel Estrel am Samstag fällt, vollzieht die neue Partei Die Linke die Vereinigung - mitsamt den damit verbundenen Hoffnungen und Ängsten - auch räumlich.

Nostalgisch wurde nur der ältere Partner in der politischen Ehe. Beim Blick zurück auf 17 Jahre PDS und Linkspartei räumte Geschäftsführer Dietmar Bartsch «etwas Wehmut» ein und sprach damit wohl für viele Mitglieder der bisherigen Ost-Partei. Es gehe auch um einen Abschied, sagte er. Um gleich darauf den Blick nach vorne zu beschwören. «Ab Montag sind wir mit der WASG in einer Partei, und das ist gut so.»

Bei anderen Rednern war zu spüren: Ganz frei ist die Linkspartei nicht von der Angst, ihre Identität durch die Fusion mit den West-Linken zu verlieren. Parteichef Lothar Bisky erinnerte an die Geschichte der SED-Nachfolgepartei PDS und ihre Auseinandersetzungen mit der untergegangenen DDR. «Das bringen wir alles in die neue Partei mit», betonte er. Genau wie die WASG die «komplizierte Geschichte der Linken in Westdeutschland» einbringe.

Politisch will sich die Linkspartei gegenüber ihrem kleinen Partner ebenso mit aller Macht behaupten. «Nicht weniger, sondern eher mehr demokratischen Sozialismus» sehe er bei der neuen Partei, meinte Bisky. Ein deutliche Ansage an die WASG, die sich lange gegen die Übernahme dieses Ziels für das neue Parteiprogramm gewehrt hatte.

Fremd dürfte manchem WASG-ler auch die historische Dimension sein, die der letzte DDR-Ministerpräsident und Ehrenvorsitzende der Linkspartei, Hans Modrow, zu sehen meinte. Er schlug den Bogen vom Kommunistischen Manifest von Karl Marx über die Weimarer Republik und Karl Liebknecht bis zur - wie er es nannte - «Abstrafung» vieler PDS-Mitglieder für ihre Verantwortung in der DDR.

Misstrauen gegenüber dem großen Partner mit der langen SED-Tradition war auch bei der WASG zu spüren. Verärgerung rief der Schachzug der Ex-PDS-Funktionäre hervor, mehr als 50 Prozent Mandatsträger für den 44-köpfigen Bundesvorstand der neuen Linken zu nominieren. WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst appellierte an die Fairness des Partners. «Der Geist unserer Vereinbarung war ein anderer», betonte er. Die Linkspartei könne sich nicht darauf verlassen, dass kein Satzungsverstoß vorliege, nur weil die WASG darauf verzichte, ihre 50-Prozent-Quote bei der Nominierung der Kandidaten auszuschöpfen.

Ernst zeigte sich jedoch selbstbewusst mit Blick auf das, was der kleinere Partner beisteuert: «Wir bringen den Westen in die neue Partei ein, der war vorher nicht vorhanden.» Der 52-jährige IG-Metall-Funktionär legte damit den Finger in die Wunde der Ostpartei. In den 17 Jahren nach der deutschen Einheit vermochte es die PDS nicht, die Menschen im Westen zu überzeugen und für sich einzunehmen. Für Ernst ist denn auch klar: «Wir sind der spannendere Teil der neuen Linken.»

Beide Partner wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind, wenn sie der SPD von links auf Dauer Paroli bieten wollen. Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend sieht die Mehrheit der Deutschen keine Gefahr für die SPD durch die vereinigte Linke. Für den WASG-Delegierten Kay Schüffelgen aus Nordrhein-Westfalen ist deshalb auch klar, dass noch eine Menge Arbeit vor der neuen Partei liegt. «Wir werden dafür kämpfen, dass viel von der Basis ausgeht», sagt er. «SPD und Union im Bundestag sind doch nur Marionetten der Lobbyistenverbände. Eine vereinigte Linke ist da die richtige Gegenwehr.»

Der Delegierte Uwe Goedicke betonte den historischen Moment. «Es ist einmalig in Deutschland, die Linke zu vereinigen.» Dass man davon in der nüchternen Kongresshalle wenig bemerkte, erklärte Sandra Zwirnmann aus Sachsen-Anhalt so: «Heute ist Junggesellenabschied und morgen wird's feierlich: Da ist Hochzeit.»