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Leipzigs Kohleausstieg Leipzigs Kohleausstieg: Warum die Abschied politisch brisant ist

Von Steffen Höhne 21.12.2018, 07:00
Das Kohle-Kraftwerk Lippendorf versorgt viele Leipziger mit Wärme.
Das Kohle-Kraftwerk Lippendorf versorgt viele Leipziger mit Wärme. dpa

Lippendorf/Leipzig - Vorweihnachtliche Ruhe fällt in der mitteldeutschen Energiebranche in diesem Jahr aus: Dafür hat der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gesorgt. Anfang des Monats verkündete er: „Wir wollen in Leipzig ein klares Signal setzen. Es ist möglich, eine 600.000-Einwohner-Stadt ohne Braunkohle zu versorgen.“

Konkret geht es um die Fernwärme der Messestadt, die bisher zum Großteil das Braunkohle-Kraftwerk Lippendorf sichert. Ab 2023 wollen die Leipziger Stadtwerke eine Selbstversorgung erreichen und dazu wahrscheinlich ein neues Gaskraftwerk bauen. Der Fall hat über die Stadtgrenzen hinweg Bedeutung.

Kraftwerk Lippendorf versorgt 120.000 Leipziger Haushalte mit Strom

Das 2,3 Milliarden Euro teure Kohlekraftwerk Lippendorf im Süden Leipzigs nahm 1999 den Betrieb auf und gehört noch immer zu den modernsten Europas. Die zwei Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von 920 Megawatt versorgen Millionen Menschen in Mitteldeutschland mit Strom. Dafür werden jährlich elf Millionen Tonnen Kohle verbrannt, die aus dem benachbarten Tagebau Vereinigtes Schleenhain stammen.

Über eine 15 Kilometer lange Rohrleitung werden zudem die 120.000 Leipziger Haushalte, die Fernwärme beziehen, versorgt. „Wir decken 80 Prozent des Bedarfs“, sagt Hubertus Altmann, Vorstand der Lausitz Energie Kraftwerke, die das Kraftwerk betreibt. Die Abwärme falle bei der Stromproduktion ohnehin an und werde sinnvoll genutzt.

Leipzigs Oberbürgermeister will auf klimafreundliche Energieversorgung setzen

Leipzig ist noch bis 2023 vertraglich an Lippendorf gebunden. Danach wollen Jung und Stadtwerkechef Karsten Rogall aussteigen. Der Oberbürgermeister setzt auf eine klimafreundliche Energieversorgung. Zudem führt er an, dass die Kohleverstromung politisch umstritten ist und die Laufzeit der Kraftwerke begrenzt werden dürfte. Darauf müsse sich die Messestadt vorbereiten.

Die Leag-Führung wurde von dem Vorhaben kalt erwischt. „Die Entscheidung des OB hat uns irritiert“, sagte Altmann am Donnerstag. Es gebe politisch wie wirtschaftlich keinen Grund aus dem jetzigen Fernwärmesystem auszusteigen. Der Vorstand weist darauf hin, dass trotz der Energiewende weiter Kohlestrom benötigt wird. „Es fehlen Netze und Speichermöglichkeiten für die Energiewende.“

Kraftwerk Lippendorf soll noch bis 2040 betrieben werden

Das Kraftwerk Lippendorf laufe auf Hochtouren und soll noch bis Mitte 2040 betrieben werden. Auch ohne die Leipziger Fernwärme würde der Betrieb unverändert fortgeführt. Kraftwerksleiter Christian Rosin rechnet vor: Der sogenannte Brennstoffausbeutungsgrad liege bei 46 Prozent. Ohne die Fernwärmeauskopplung seien es noch 43 Prozent. Die 350 Arbeitsplätze im Kraftwerk seien gesichert, gleiches gelte für den Absatz des Kohlelieferanten Mibrag aus Zeitz (Burgenlandkreis). Ohne die Lieferungen nach Leipzig wird die Wärme dann wohl in die Umwelt abgegeben.

Doch wenn Kraftwerk und Jobs nicht gefährdet sind, warum ist der Fall dann politisch brisant? Aktuell tagt die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission, die ein Datum für den Kohleausstieg festlegen soll. Die ostdeutschen Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg lehnen einen frühzeitigen Ausstieg ab. Als Argument wird immer wieder die Versorgungssicherheit angeführt.

Leag bietet Alternativen an

Leipzigs OB sagt nun: Es geht auch anders. Und das ist kein Sonderweg. Auch in Chemnitz zeichnet sich ein Wandel ab. Dort wird ein gasbetriebenes Heizkraftwerk gebaut. 2020 soll ein Block eines Kohlekraftwerkes stillgelegt werden, bis 2029 auch der zweite. Selbst Cottbus, Hauptsitz der Leag und Herz des Lausitzer Reviers, will bis 2022 raus aus der Kohle. Das dortige Stadtwerk will ebenfalls in ein Gaskraftwerk investieren. Das heißt, große Kommunen im Osten gehen beim Kohleausstieg voran. Die Leag, die mit vier Großkraftwerken 15,6 Millionen Haushalte mit Strom versorgt, gerät unter Druck.

Vorstand Altmann kündigte daher auch an, selbst über Alternativen nachzudenken: „Wir waren mit den Leipziger Stadtwerken bereits im Gespräch, Fernwärme ergänzend aus Biomasse zu erzeugen“ Am Donnerstag machte Altmann klar, dass die Leag offen für jegliche Erzeugungsform ist. „Eine separate Anlage im Industriegelände zu errichten, ist möglich.“ Es könnten die Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen und selbst die Kühltürme genutzt werden.

Leipzig plant bisher ein neues Kraftwerk am Rand der dicht besiedelten Südvorstadt. „Die Umstellung der Wärmeerzeugung soll zu keinen höheren Preisen führen“, hatte Stadtwerkechef Rogall bereits betont. Doch solche Großvorhaben bergen viele Unsicherheiten. In Lippendorf zu bauen, könnte daher für beide Seiten eine Alternative sein. (mz)