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WM-Historie: Frankreich 1998 WM-Historie: Frankreich 1998: Triumph der «Grande Nation»

14.06.2006, 11:58
Im Stade de France in St. Denis im Norden von Paris verfolgen Fans ein Spiel während der Fußball-Weltmeisterschaft 1998. (Foto: dpa)
Im Stade de France in St. Denis im Norden von Paris verfolgen Fans ein Spiel während der Fußball-Weltmeisterschaft 1998. (Foto: dpa) epa

Hamburg/dpa. - Selbst Brasiliens Ballkünstler hatten am 12. Juli im Endspiel im Pariser Stade de France der französischen Fußballkunst nichts entgegen zu setzen.

«Heute hat uns Zidane die Erleuchtung gebracht», erzählte Frankreichs Nationaltrainer Aime Jaquet, nachdem «Zizou» mit zwei Kopfball-Toren den Weg zum 3:0-Erfolg geebnet hatte. Bis zum Endspiel hatte Zidane lediglich im Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Italien (4:3) getroffen: «Ich hatte heute große Lust, Tore zu schießen», begründete er seine finale Gala.

Lust auf Tore hätte auch die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gehabt, die mit 29,7 Jahren im Durchschnitt die älteste in der deutschen WM-Geschichte war. Doch mehr als die bekannten Tugenden Kampf, Einsatz und Kondition konnte Bundestrainer Berti Vogts nicht heraus kitzeln. In der WM-Vorbereitung hatte es viele Ausfälle gegeben. In der Not holte Vogts sogar den 37-jährigen Lothar Matthäus zurück. Dennoch war schon im Viertelfinale gegen Kroatien (0:3) mit Torschützenkönig Davor Suker (sechs Treffer) Endstation, nachdem Christian Wörns vom Platz geflogen war.

«Unverschämtheit» nannte Vogts den Platzverweis für Wörns, der Suker (40. Minute) gefoult hatte. Matthäus beschimpfte den erfahrenen norwegischen Referee Rune Pedersen, der «in seinem Land nur zweitklassigen Fußball pfeifen darf», und trat nach seiner 25. WM- Partie zurück. Anfang September folgte Vogts nach 100 Länderspielen als Bundestrainer seinem Beispiel. In der Liste der WM-Dauerbrenner führt der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus bis heute vor Paolo Maldini (Italien/23), Uwe Seeler (Hamburg/21), Diego Armando Maradona (Argentinien/21) und Wladislav Zmuda (Polen/21).

Matthäus & Co. präsentierten sich anders als die Dänen oder die in einem neuerlichen Elfmeter-Drama gegen Frankreich gescheiterten Italiener als schlechte Verlierer. Dabei hätten die schockierenden Vorfälle von Lens, wo deutsche Hooligans eine Spur der Gewalt durch die friedliche WM-Landschaft gezogen hatten, zu mehr Zurückhaltung, Fairness und Anstand gemahnt.

Es war Sonntag, der 21. Juni, als Stunden vor dem Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft gegen Jugoslawien organisierte Hooligan- Banden den wehrlosen Gendarmen Daniel Nivel mit einer Eisenstange fast tot schlugen. Selbst als der damals 44 Jahre alte Nivel schon bewusstlos war, wurde er noch mit Fußtritten malträtiert. Er fiel ins Koma. Für den Rest seines Lebens wird der Familienvater an den schlimmen Hirnschäden leiden. Die deutschen Täter wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Die abscheuliche Fratze der Gewalt hätte fast zu einer Kapitulation des Fußballs geführt. Der erschütterte DFB-Präsident Egidius Braun wollte das deutsche Team sogar aus dem Wettbewerb zurückziehen. Stunden später entschied er sich anders, mit der Begründung, das deutsche Team wolle sich nicht der Gewalt beugen.

Das Vogts-Team blieb im Rennen - war aber im Konzert der Großen nicht wettbewerbsfähig. «Wir müssen uns daran gewöhnen, nicht die Erfinder des Fußballs zu sein», erkannte der Bundestrainer. Der Einzug in die Runde der letzten Acht musste nach mäßiger Vorrunde mit 2:0-Siegen gegen die USA und den Iran sowie dem 2:2 gegen Jugoslawien schon als Erfolg gewertet werden. Im Achtelfinale gegen Mexiko (2:1) konnten Oliver Bierhoff und Kapitän Jürgen Klinsmann das Aus noch verhindern. Doch gegen Kroatien (0:3) verließ die DFB-Elf das Glück.

Deutschland-Schreck Kroatien brachte im Halbfinale auch die Gastgeber ins Schwitzen (1:2). Noch mehr musste Brasilien um den finalen Einsatz zittern. Doch die Niederlande, die als das kompletteste Team dieser WM galten, waren im Elfmeterschießen (2:4) wieder einmal die Dummen. Zum vierten Mal zwischen 1992 und 2000 scheiterten die «Oranjes» bei einer EM oder WM im finalen Shoot-Out.

Das Finale hielt, was es versprach. Brasiliens lädierter Superstar Ronaldo nicht. Ausgerechnet im Endspiel brillierte der Star nicht. Zum Leidwesen seines Coaches Mario Zagallo, der in seinem fünften WM- Endspiel die erste Niederlage kassierte. 1958 (5:2 gegen Schweden) und 1962 (3:1 gegen die CSSR) hatte er als Spieler triumphiert; 1970 (4:1 gegen Italien) als Trainer und 1994 (3:2 n.E. gegen Italien) als Assistenz-Coach von Carlos Alberto Parreira. 1998 musste er sich mit dem Endspiel-Weltrekord trösten.

Für Zinedine Zidane erfüllte sich mit dem ersten WM-Triumph für Frankreich ein Traum. Den Titel widmete er seinem zwei Monate alten Sohn Luca, den er wegen der Vorbereitung kaum gesehen hatte. Der damalige Juve-Star, Sohn algerischer Einwanderer, traf, als es darauf ankam. Zunächst brachte der Mann mit der Nummer 10 das mit 75 000 Zuschauern gefüllte Stade de France in der 27. Minute zum Beben; mit dem Pausenpfiff schaffte «Zizou» die Vorentscheidung. Emmanuel Petit besorgte den Rest (90.). Die «Tour de France» war mit 3:0 gegen Brasilien gewonnen. Die Gastgeber küssten den «Worldcup», und die Glatze ihres Keepers Fabien Barthez - so wie sie es nach jedem Sieg getan hatten.