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Wirbel um Grundstücke in Ermsleben Wirbel um Grundstücke in Ermsleben: Irrtum vor über 100 Jahren?

Von Lars Geipel 11.06.2001, 18:02

Ermsleben/MZ. - Manfred Schroth und Peter Nagel kennen sich schon seit vielen Jahren. Ein Vierteljahrhundert leben die beiden im Pechhüttenweg in Ermsleben einträchtig nebeneinander. Schroth nennt das Haus Nummer acht mit Flurstück 95/44 sein eigen, Nachbar Nagel gehört Haus Nummer sechs plus Grundstück 96/44. So steht es auch in den offiziellen Unterlagen des Staßfurter Katasteramtes. Nur: Seit über 25 Jahren wohnen sie im Haus des jeweils anderen - Schroth im Pechhüttenweg sechs, Nagel im Pechhüttenweg acht. Wahrscheinlich wäre diese Tatsache auch noch Jahre unentdeckt geblieben, wenn nicht vor wenigen Wochen ein Ingenieurbüro die Grundstücke vermessen und die beiden auf den "Irrtum" aufmerksam gemacht hätte. Darüber könnten die Freunde auch noch lachen. Doch das ist ihnen inzwischen gründlich vergangen.

Denn um das Problem aus der Welt zu schaffen, müssen alle Grundbucheinträge beim Notar geändert werden. Kostenpunkt für beide Grundstücke: 1 500 Mark. Aber das ist bei weitem noch nicht alles. Manfred Schroth muss auch seine Kreditvereinbarung bei der Sparkasse umschreiben lassen. Selbst ein neuer Kaufvertrag ist nötig. Und dafür muss Schroth jetzt, nachdem er das Haus eigentlich schon 1975 gekauft hat, noch einmal 3,5 Prozent des aktuellen Immobilienwertes als Grunderwerbssteuer an das Finanzamt zahlen. "Ich weiß gar nicht, woher ich das Geld nehmen soll", meint er verzweifelt. "Außerdem sehe ich nicht ein, dass ich für ein Fehler zahlen soll, der absolut nicht bei mir liegt."

Wer für die missliche Situation verantwortlich ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Zuerst richtete sich der Ärger von Schroth und Nagel gegen das Staßfurter Katasteramt (die MZ berichtete). Die Behörde soll, so die Vorwürfe, die Grundstücke vertauscht haben. Doch die Anschuldigungen der beiden Nachbarn sind haltlos, das Katasteramt kann überhaupt nichts dafür. Denn bereits auf der Reinkarte von 1861 sind die Grundstücke in ihrer aktuellen Lage vermerkt, erklärt Behördenchef Klaus Liebig. Fakt ist aber auch, dass bereits die Leute "verkehrt" wohnten, von denen Schroth und Nagel Grundstück und Haus gekauft haben. Das geht aus Unterlagen von 1934 hervor, die Annette Wiedenbeck, bei der Verwaltungsgemeinschaft Falkenstein/Harz für Liegenschaften zuständig, vorliegen. Bereits damals war die Hausnummer acht dem Grundstück 95/44 und die Hausnummer sechs dem Grundstück 96/44 zugeordnet.

"Wahrscheinlich", so vermutet sie, "ist deshalb Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts bei der Vergabe der Hausnummern etwas schief gelaufen." Darauf deutet die ungewöhnlich Tatsache hin, dass im Pechhüttenweg in Ermsleben auf Hausnummer vier die acht und dann erst wieder die sechs folgt. Doch wann und wie es zu einer Verwechslung kommen konnte, kann auch sie nicht sagen. "Dazu gibt es keine Unterlagen mehr." Um alles "wieder ins Reine" zu bringen, müssen die Grundstücke getauscht werden. "Doch dabei entstehen Kosten, die die Leute tragen", sagt Frau Wiedenbeck. Das tue ihr unendlich leid, aber es sei nun einmal nicht zu ändern. Jedoch stehe beiden der Rechtsweg offen.

Allerdings gibt sie zu bedenken, dass Manfred Schroth und Peter Nagel sich beim Erwerb ihrer Grundstücke hätten vergewissern müssen, dass sie auch das "richtige" kaufen. "Wäre das geschehen, dann gäbe es heute keinen Ärger", so Annette Wiedenbeck.