1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Virtueller Seitensprung: Virtueller Seitensprung: Wenn der Partner Porno-Websites anschaut

Virtueller Seitensprung Virtueller Seitensprung: Wenn der Partner Porno-Websites anschaut

Von Vivien Rehder 17.08.2005, 10:36
Nachts die eigenen dunklen Seiten ausleben - viele Männer können der Versuchung nicht widerstehen, Pornobilder im Internet anzusehen. Bei einem Rentner in Gotha stellte die Polizei jetzt eine Viertelmillion Kinderpornos sicher. (Foto: dpa)
Nachts die eigenen dunklen Seiten ausleben - viele Männer können der Versuchung nicht widerstehen, Pornobilder im Internet anzusehen. Bei einem Rentner in Gotha stellte die Polizei jetzt eine Viertelmillion Kinderpornos sicher. (Foto: dpa) Arnd Petry

Köln/Frankfurt/Main/dpa. - Die Neuen Medien machen es so einfach wie nie zuvor, überall undjederzeit an Erotik-Angebote zu kommen. Der Reiz liegt in derUnverbindlichkeit: Wer sich im Internet Sexfotos anschaut oder perSMS heißes Liebesgeflüster verschickt, bleibt dabei meist anonym. Daslockt vor allem Männer. «Sie nutzen diese Inhalte noch deutlichhäufiger als Frauen», beobachtet der Sexualwissenschaftler ProfessorVolkmar Sigusch von der Universität Frankfurt.

Unentdeckt bleiben solche Spielchen nicht immer. Wer seinenPartner beim Herunterladen von Sexbildern erwischt oder erotischeSMS-Botschaften auf seinem Handy entdeckt, ist meist schockiert undverunsichert. Besonders Frauen fühlen sich davon oft angewidert undzweifeln an ihrer Beziehung zum Partner. Doch dazu besteht nachAnsicht der Psychologin Gerhild von Müller aus Köln in den meistenFällen kein Grund.

«Andere Frauen anzuschauen, sei es auf Bildern oder auf derStraße, gehört für viele Männer einfach dazu», sagt die Expertin.«Wenn ein Mann Sex-Fotos oder entsprechende Videos anguckt, ist dasabsolut normal.» Selbstzweifel und Unsicherheit in einer solchenSituation seien aber typisch für Frauen.

Volkmar Sigusch beobachtet insgesamt eine Zunahme vonInternet-Sex. «Die Inhalte sind sehr leicht verfügbar und zahlloseFetische stehen zur Auswahl», sagt der Sexualwissenschaftler. Das dieNutzung der neuen Erotik-Angebote nichts Ungewöhnliches ist, zeigtauch die Entwicklung des Marktes: Rund 39 Millionen Euro werden lauteiner Studie des Institutes EITO (European Information TechnologyObservatory) im laufenden Jahr in Deutschland mit Erotik-Angeboten imInternet verdient. 2006 werden es voraussichtlich schon 63 MillionenEuro sein. Mit Sexinhalten, die per Handy übertragen werden,erwirtschaften die Anbieter in diesem Jahr rund 9 Millionen Euro.

Doch als normal gilt der Konsum solcher Angebote trotzdem nochlange nicht. Angesichts von virtuellen Sex-Ausflügen des Partnersempfänden manche Frauen Abscheu aus einem Gefühl der Eifersucht undAblehnung heraus, erläutert Gerhild von Müller. «Was sie alsabstoßend empfinden, sind oft gar nicht die Bilder selbst, sonderndie Vorstellung, der Partner könnte mit einer anderen Frau Sexhaben.»

Dazu kommt die Angst, dass er vielleicht auch im wirklichen Lebeneinen Seitensprung riskieren würde. Laut Gerhild von Müller sindsolche Befürchtungen nur selten angebracht: «Zwischen dem Anschauenvon Sex-Bildern und Fremdgehen liegen Welten.»

Wenn jemand virtuelle Erotik-Angebote nutzt, bedeute das nicht,dass er leichter untreu wird, meint auch SexualwissenschaftlerSigusch. «Die Hemmschwelle zum Fremdgehen sinkt dadurch nicht, weildie Möglichkeit auf Dauer da ist», sagt er. Allein diese Gewissheitreiche vielen Menschen. Nach Ansicht des Sexualwissenschaftlerskönnten virtuelle Liebesabenteuer die Partnerschaft sogar schützen:«Sexuelle Spannungen, die sich auf andere Personen als die festePartnerin beziehen, werden so abgeführt.»

Die Suche nach Sex im Internet trotz fester Beziehung kann aberauch ein Hinweis auf sexuelle Unzufriedenheit sein, meint derPsychologe Stefan Oschmann vom Würzburger Institut für Partner- undSexualtherapie. «Wer seinen Partner dabei erwischt, sollte ihnfragen, ob ihm bei der Sexualität in der Beziehung etwas fehlt», rätder Experte. Es gebe aber auch andere Gründe: «Manche lockt beimInternet-Sex einfach der Reiz des Verbotenen, andere stehen im Alltagunter Stress und Druck, den sie auf diesem Weg abzubauen versuchen.»

Wenn ein Mann besonders häufig Sex-Angebote wahrnimmt, könne dasauch auf ein ernsthaftes Problem hinweisen. «Es gibt Männer, diesexuell süchtig sind», sagt der Therapeut. «Das zeigt sich zumBeispiel daran, dass ein Mann oft wahllos Erotik-Bilder herunterlädt,ständig Sex mit seiner Partnerin haben will oder neben einer festenBeziehung häufig Prostituierte besucht.»

Gerhild von Müller hält den Konsum von Internet-Sex in den meistenFällen für harmlos. «Kritisch wird es aber, wenn ein Partner darunterleidet», warnt sie. Wenn eine Frau sich belogen, enttäuscht undhintergangen fühlt, nur weil ihr Mann sich Erotik-Bilder ansieht,deute das auf eine tiefe Störung der Partnerschaft hin.

Über die eigenen Gefühle zu sprechen, sei bei solchen Konfliktenin jedem Fall hilfreich. «Ein Paar kann sich zum Beispiel gegenseitigerklären, was beide bei dem Anblick von Sex-Bildern empfinden»,empfiehlt sie. «Wenn das gelingt, rückt das Paar näher zusammen.»