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Vierschanzentournee Vierschanzentournee: Anders Jacobsen gewinnt Neujahrsspringen

01.01.2013, 15:29

Garmisch-Partenkirchen/SID/dpa. - Anders Jacobsen hatte die Nase voll. Vom Skispringen, dem Reisen, dem Druck und dem Medienrummel. „Ich brauchte das alles nicht mehr“, sagt der Norweger. Die vergangene Saison im Weltcup setzte er aus. Freiwillig, zur Überraschung vieler.

„Motivationsprobleme“ waren der offizielle Grund, der Ausnahmekönner hatte einfach keine Lust mehr, das Karriereende stand kurz bevor. „Ich war mir nicht sicher, ob ich zurückkommen werde“, sagt der Tournee-Gewinner von 2007. Doch er tat es. Und wie. „Nach ein paar Monaten habe ich den Drang verspürt, meine Kollegen wieder zu treffen, den Adrenalinrausch zu spüren und wieder zu fliegen. Das macht süchtig“, sagt Jacobsen: „Zu springen und zu fliegen, das ist meine Freiheit.

Das kann ich so richtig genießen. Ich musste einfach zurückkommen.“ Jacobsen holte sich bei der 61. Vierschanzentournee in Oberstdorf nicht nur den Auftaktsieg, zwei Tage später landete er auch noch beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen ganz oben auf dem Treppchen.

Wirklich auf dem Zettel hatte ihn niemand, dabei kann der 27-Jährige jetzt als zweiter Skispringer nach Sven Hannawald sogar noch den „Grand Slam“ mit vier Siegen in vier Springen schaffen. „Ich werde weitermachen, so lange ich es kann und so lange ich es mit meinem Leben zu Hause hinbekomme“, sagt er.

„Zu Hause“ mit Partnerin Birgitte und dem knapp zwei Jahre alten Sohn Isak ist mittlerweile viel wichtiger als alles andere. „Ich habe alles. Eine wunderschöne Frau, einen tollen Sohn und ein schönes Heim. Egal, ob ich Erster oder 40. bin, das nimmt mir niemand“, sagt Jacobsen: „Deswegen habe ich nicht so viel zu verlieren. Seit ich Vater bin, hat sich mein Blick auf die Welt verändert, ich stelle mich selbst nicht mehr so in den Mittelpunkt.“

Völlig befreit vom Druck, der ihn vor seiner Auszeit förmlich zu erdrücken schien, sitzt der Norweger jetzt auf dem Balken und geht in seine Sprünge: „Ich bin hier, um das zu genießen und Spaß zu haben.“ Der Konkurrenz bereitet er mit dieser Lockerheit Kopfzerbrechen. „Es ist nicht zu erwarten, dass er sich in die Hose macht. Er ist schon sehr gefährlich, weil er weiß, wie man gewinnt“, sagt Bundestrainer Werner Schuster: „Er ist bei der Tournee vom ersten Tag an geflogen wie ein Engel.“ Engelsgleich hat sich der viermalige WM-Silermedaillengewinner im Jahr 2011 auch bei der norwegischen Ausgabe der Tanz-Show „Let's dance“ bewegt. Dort schied er unfreiwillig erst nach fünf TV-Folgen aus. „Ich hatte Probleme mit dem Blinddarm und musste operiert werden. Das Tanzen war nur zum Spaß“, sagt Jacobsen: „Ich wollte mal eine andere Art von Mediendruck erleben und sehen, ob ich mich zum Idioten mache. Aber ich habe mich ganz gut geschlagen.“

Im norwegischen Team wurde das „Juwel des Skispringens“ (O-Ton Toni Innauer) mit offenen Armen empfangen. „Wir sind eine gute Gang und alle sehr gute Freunde. Es ist entspannt, wir alle nehmen die Dinge nicht so ernst und versuchen, viel Spaß zusammen zu haben“, sagt Jacobsen. So herzte ihn nach seinem Coup in Oberstdorf die gesamte Mannschaft um den letztjährigen Gesamtweltcup-Sieger Anders Bardal im Innenraum. Auch in Garmisch-Partenkirchen feierte die eingeschworene Truppe gemeinsam, denn Bardal als Dritter und Tom Hilde als Vierter rundeten den perfekten Tag ab. Genau diese Momente sind es, die er vermisst hat. „Ich bin jetzt ein bisschen älter und hoffentlich ein bisschen weiser“, sagt Jacobsen, der seine Erfolge bei der Tournee vor sechs Jahren gar nicht richtig verarbeiten konnte. „Das war mein erstes Jahr im Weltcup, meine erste Tournee. Es war wie im Märchen, weil alles so schnell ging“, sagt er. Gegen ein neuerliches Märchen hätte er sicher nichts einzuwenden.