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Verrückte Torjubel Verrückte Torjubel: Ronaldo lutscht am Daumen

Von Raimund Witkop 26.06.2012, 16:58

Warschau/dapd. - Cristiano Ronaldo mit Daumen im Mund - es gibt noch Bilder, die überraschen. Man glaubte, im Bereich exaltierter Torjubel-Szenen schon alles gesehen zu haben, aber nein: „CR7“ lutscht am Daumen. Eine Geste, die dem Portugiesen mit dem starken Selbstdarstellungswillen als höchst fragwürdig ausgelegt wurde - aber nur von Menschen, die den zweiten Geburtstag seines Sohnes gerade nicht im Kopf hatten.

Geburten oder Kinder-Geburtstage zu feiern, gehört zu den Klassikern, seit Fußballprofis auf die Idee kamen, ihre Tore nicht nur einfach so, mit natürlicher Freude, zu begehen. Die Geburtsstunde eines choreographierten Jubels ist ziemlich genau zu bestimmen: WM 1994, die Brasilianer Romario und Bebeto, die sich nebeneinander stellten und im Gleichtakt ein imaginäres Baby wiegten. Seither wurden hunderte Babys neben Torpfosten geschaukelt, Tänze um Ball oder Fahne aufgeführt. Den Trend zu einstudierten Gruppendarbietungen trieb eine isländische Mannschaft auf die Spitze, die komplette Mini-Sketche pantomimisch aufführte und es damit ins „Aktuelle Sportstudio“ schaffte.

Zwtl.: Krallen für Irina, Sperre für Bendtner

Klar, dass es danach einen Retro-Trend zurück zur Einzelgeste, zur Solo-Perfomance geben musste. An der Spitze wiederum Ronaldo, der ein breites Repertoire auffächert, mit seiner „Tigerkralle“ nach dem Siegtor gegen Tschechien: eine Kratz-Fauch-Geste, die nach der Deutung diverser Medien an seine Freundin Irina, ein russisches Model, adressiert war. Was auch immer die Krallen bedeuten sollten - es ist unwahrscheinlich, dass Ronaldo damit raffinierter für das Musical „Cats“ werben wollte, als es Kollege Nicklas Bendtner für einen irischen Wettanbieter tat. Der Trikot-Lupfer des Dänen, der einen Schriftzug auf dem Unterhosen-Bund freigab, kostete Bendtner bekanntlich ein Spiel Sperre und 100.000 Euro Strafe - mit Recht, hatte er doch einem der letzten nicht-kommerziellen Winkel des Spiels seine ohnehin zweifelhafte Unschuld geraubt.

Zwtl.: Bender wie ein Fohlen auf der Koppel

Zweifelhaft, weil Torjubel längst auch der Selbstinszenierung dient, die den Marktwert mitbestimmt. Da kann es stören, wenn taubstumme Lippenleser vom TV-Schirm aus Unerhörtes über Twitter in die Welt hinausschicken - oft wüste Beschimpfungen, wenn man den Mitlesern glauben darf. Das führt zu grotesken Szenen, wenn etwa Italiens Mario Balotelli von Mitspielern der Mund zugehalten wird, damit er sich nicht weiter verplappert. Frankreichs Samir Nasri paradierte mit dem Finger auf den Lippen vor den Journalisten, mit denen er sozusagen lautlos ein Hühnchen rupfte.

Seinen ungebrochenen Sinn für kindlichen Humor bewies Englands Wayne Rooney mit einer Haarspray-Pantomime, die er seinem pferdeschwänzigen (aber sonst recht unbeholfenen) Mitspieler Andy Carroll („ich habe einige seiner Pflegeprodukte benutzt“) versprochen hatte. Zugleich war es eine selbstironische Anspielung auf seine Haartransplantation, die Rooney seine absurde Topf-Frisur ermöglichte.

Und die Deutschen? Harmlos und nett. Nach Marco Reus' Treffer gegen die Griechen führte er mit Jerome Boateng eine Art Ententanz auf, der an Kindergeburtstage erinnerte. Und dann war da Lars Bender, Überraschungs-Torschütze gegen Dänemark: Der hatte nichts vorbereitet und sprang wie in junges Fohlen über die Koppel. Ein erfrischender Anblick.