Verrucht bis verrückt
Halle/iposa. - Schluss mit peinlichen Kostümen aus dem Otto-Katalog, weg mit notdürftig gefertigten Es-ist-schon-spät-und-ich-habe-immernoch- keine-Idee-Kostümen (Vatis Hemd und Schlaghose machen noch keinen lustigen Elvis). Es geht nämlich auch anders.
Im Kostümfundus „Enkelmann“ am Charlottencenter wimmelt es nur so von witzigen Outfi ts. Es gibt fast alles, was das Ritter-, Prinzessinnen-, Engel-, Kuh-, König- oder Wikingerherz höher schlagen lässt! Ob nun den Kittel von George Clooney, der dringend in den Emergency Room gerufen wird, oder das dritte Haselnusskleid von Aschenbrödel inklusive Nasen- und Mundtuch – Kostüme dieser Art hat Renate Wolf in Hülle und Fülle. Die Kleiderstangen biegen sich.
Renate Wolf ist und seit der Eröffnung des Kostümverleihs im Mai 2002 mit ganzem Herzen dabei. Die gelernte Einzelhandelsauffrau weiß also, wie man gut berät und die Sachen „an den Mann“ bringt. Die meisten Leute kommen zu ihr ohne Vorstellungen. Ein scharfer Blick und Wolf weiß genau, welches Ensemble dieser Person stehen könnte und welches nicht. Sie packt dann auch ohne Zögern bei der Anprobe mit zu, schließlich hat man hinten keine Augen. Die Ausleihbedingungen sind fair. Ganze vier Tage kann man die Kostüme zu einem Preis ausleihen. Kinderkostüme gibt’s für 7,50 Euro, Kostüme für die „Großen“ kosten 15 Euro. Für die wirklich edlen, historischen Stücke berechnet sie das Doppelte. Das betrifft Kleider mit separatem Reifrock, dazu Perücken mit weißen, langen Locken. Oder Gehröcke mit eingenähtem Bauch und Dreiviertel-Hosen aus den guten, alten Barocktagen. Das sind die Glanzstücke des Kostümverleihs. Die meisten Sachen hat die Firma von Theatern oder Opernhäusern aufgekauft. Einige einfachere Kostüme wurden direkt von einer Schneiderei angefertigt.
Die Reinigung der Einzelstücke ist im Preis inklusive. Selbst bösartige Fleckenzwerge bekommt Wolf in der Regel raus. Was allerdings teuer bezahlt werden muss, sind mutmaßliche Zerstörungen am guten Stück. Triangel in der Hose oder ein abgerissener Jackenarm, auch unbeliebte Brandfl ecke kosten den Ausleiher zusätzlich die dreifachen Gebühr. Verständlich, denn ein Captain Kirk-Outfi t mit Herzfl icken auf der Glitzer- Leggings lässt sich nun mal schwierig weiter verleihen.
Einen besonderen Service bietet der Shop in der Faschingszeit an. Man kann dann außerhalb der Öffnungszeiten, also rund um die Uhr, ein Kostüm ausleihen. Renate Wolf schläft dafür neben dem Telefon und ist zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit, den Weg von ihrer Wohnung in Bad Lauchstädt (!) nach Halle anzutreten. Natürlich entstehen dem Entleiher dabei keinerlei Extrakosten. Wolf ist seelig, wenn sie wieder einem Jeck zur passenden Verkleidung verholfen hat. So etwas gibt es auch.
Ihre Kundschaft sei sehr gemischt und sehr unterschiedlich, sagt Kostümverleiherin Wolf. Verkleidungswütig sind 3-Jährige genau so wie 70-jährige Rentner. Aber was leihen sich Rentner denn so aus? Zur rüstigen Polonaise wird sich gerne als züchtige Frau Holle oder als unartiger Vampir verkleidet, erfährt man „hinter vorgehaltener Hand“. Bei den niedlichen, lauten Kleinen sind immer noch die Cowboy- und Marienkäferkostüme der Renner.
Oftmals seien auch die Kinofilme des Jahres ausschlaggebend für die Kostümwahl, erzählt Wolf. 2002 war das Jahr des Moulin Rouge. Alle wollten verrucht und sexy aussehen. Dieses Jahr rechnet sie mit einer starken Nachfrage nach elbischen Fabel- und Fantasiewesen mit goldenen Ringen.
Wen es zum Fasching nicht nur alkoholmäßig, sondern vielleicht auch herzschmerzbedingt total erwischt, dem sei noch gesagt, dass Wolf auch eine beachtliche Auswahl an sehr schönen, weißen, romantischen Hochzeitskleidern im Repertoire hat. Dann kann ja nix mehr schief gehen.
Kostümfundus Enkelmann Augustastraße 6–8, Tel. 7792584 Mo, Di, Do, Dr 14–18 ; Sa 9–13 Uhr im Februar generell 9–18 Uhr und nach telefonischer Absprache