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Usedom Usedom: Brücke von Karnin als altes Tor zu den «Kaiserbädern»

Von Horst Heinz Grimm 09.06.2006, 09:05

Karnin/dpa. - Ein Stahlgerüst so hoch wie ein gutzehnstöckiges Gebäude überragt die liebliche Landschaft amPeenestrom. Mitten im Wasser steht die mächtige Konstruktion, die vorsieben Jahrzehnten europaweit Aufsehen erregte: dieEisenbahnhubbrücke von Karnin. Sie erlaubte damals eine schnelleZugverbindung zwischen Berlin und der Ostseeinsel Usedom, die denSpitznamen «Badewanne der Berliner» trug. Doch seit Ende des ZweitenWeltkrieges verkehrt hier kein Zug mehr.

Die Hubbrücke und auch der Bahnhof am Inselufer stehen längstunter Denkmalschutz. «Für Touristen ist das Ensemble einAnziehungspunkt», sagt Peter Günther vom Tourismusverband der Insel.Den Hafen am Westende des Kleinen Haffs laufen Sportboote an, dieZollstation kontrolliert den Schiffsverkehr auf dem Strom. DieHauptstraße B 110 über die Zecheriner Brücke zum Festland verläuft inetwa fünf Kilometer Entfernung.

Der Maschinenbauingenieur Mart Sörensen aus Stockholm macht aufseiner Tour durch Vorpommern Station in Karnin. «Ich wollte die Ruineder Brücke sehen, die zu ihrer Zeit als bedeutende Ingenieurleistunggalt», sagt er. Die Gleise wurden bei Bedarf hochgehoben, sodassSchiffe bis 28 Metern Höhe durchfahren konnten. Ein Hebe- oderSenkvorgang dauerte jeweils nur drei Minuten.

Das Bauwerk ersetzte 1933 die schon 1875 konstruierte Drehbrückeüber die Peene, die für Schiffe eine Passage von etwa 50 MeternBreite freigab. Deutsche Truppen sprengten Ende April 1945 auf ihremRückzug vor der Roten Armee die festen Brückenteile. DieHubkonstruktion blieb stehen. Eine Bürgerinitiative rettete sie 1990vor dem Abriss.

An die ehemalige Bahnverbindung erinnert neben der Hubkonstruktionnur noch der historische Bahnhof Karnin. Züge fahren vor dem nach derWende ebenfalls unter Denkmalschutz gestellten und renoviertenGebäude aus der Zeit um 1900 schon lange nicht mehr ab.

Eisenbahnfreunde ließen aber 300 Meter Gleis verlegen und stelltenausgediente Waggons der Reichsbahn und eine schrottreife Diesellokdarauf ab. Im Bahnhof richteten sie ein Informationszentrum und einCafé ein. Doch seit Monaten ist das Stationsgebäude geschlossen. «Essoll versteigert werden», erklärt Bellinger. «Der Verein mussteInsolvenz anmelden.»

Tourismusmanager verweisen gern auf die Vergangenheit der InselUsedom, als im Sommer Kaiser Wilhelm II., sein Hofstaat und derGeldadel in den «Kaiserbädern» residierten. Die schon 1876eingerichtete Bahnverbindung erleichterte die Anreise. Nach demErsten Weltkrieg fanden sich Prominenz und Schickeria aus Berlin ein.Die Schnellzüge zwischen der Hauptstadt und die Swinemünde brauchten1935 etwas mehr als zweieinhalb Stunden Fahrzeit. Alle fuhren sieüber die Karniner Brücke. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs gingdiese Epoche zu Ende.