Überraschender Dialog: Koons-Doppelschau in Frankfurt
Frankfurt/Main/dpa. - Selten hat ein Ausstellungskonzept das Werk eines Künstlers derart bereichert wie diese Idee: die knallbunt-poppigen Riesenskulpturen von Jeff Koons - ganz wörtlich - mitten in die Kunstgeschichte zu stellen.
Ein kuratorischer Geniestreich, von dem der stets unter Kitschverdacht stehende Amerikaner ebenso profitiert wie die jahrhundertalten Meisterwerke des Museums, mit denen sich seine Skulpturen überraschend angeregt unterhalten.
Vom 20. Juni bis 23. September zeigen zwei Museen in Frankfurt fast 90 Werke des Pop-Künstlers. In der Kunsthalle Schirn am Römerberg hängen 45 Gemälde, und in der Skulpturensammlung Liebieghaus am Museumsufer stehen 44 Plastiken. Zusammen bilden sie die wohl bisher größte Jeff-Koons-Ausstellung überhaupt, sagt der Direktor beider Häuser, Max Hollein. Es sei «eine Feier, aber auch eine Analyse» des seit den 80er Jahre richtungsweisenden Künstlers.
Im Liebieghaus steht eine Porzellan-Figur von Michael Jackson im goldenen Anzug neben teilvergoldeten ägyptischen Särgen; eine magentafarbene «Balloon-Venus» - die aussieht wie aus abgebundenen Luftballons, aber in Wahrheit aus Edelstahl besteht - mischt einen Raum mit antiken Statuen auf; ein giftgrüner «Hulk» gesellt sich zu einem kraftstrotzenden Bronze-Herakles; eine kopflose Nackte in der Badewanne schlägt farblich eine Brücke zum Terrakotta-Altar von 1500. Manchmal geht die Analogien-Suche ein wenig zu weit - etwa, wenn eine Plastikkatze neben Kreuzigungsfiguren an einer Wäscheleine hängt.
«Sein Werk fußt unmittelbar auf der Kunstgeschichte», sagt Vinzenz Brinkmann, Leiter der Skulpturensammlung und einer der Kuratoren. Er hat das ungewöhnliche Projekt zwei Jahre lang mit Koons vorbereitet. «Ich habe sehr viel gelernt über Präzision», sagt er über den bekennenden Perfektionisten, dessen Arbeiten zwar oft nicht eigenhändig, dafür aber «mit einem Optimum an kunsthandwerklicher Präzision» entstünden. Sechs Arbeiten im Liebieghaus und zwei Bilder in der Schirn sind zum ersten Mal zu sehen. Sie gehören zu der neuen Serie «Antiquity», die sich bewusst auf antike Vorbilder bezieht.
Die meisten Motive, die auf der einen Seite des Mains dreidimensional sind, findet der Besucher in der Schirn zweidimensional wieder: die Comic-Figuren Popeye und Hulk, Plastik-Schwimmtiere von Hummern und Delfinen, Luftballons in Form von Affen oder Küken. Manche Arbeiten wirken, obwohl gemalt, als sprängen sie gleich aus dem Bild.
In einer Ecke hängen Koons' Kopien von Alkohol-Werbung aus den 80er Jahren (aus der Serie «Luxury and Degradation»), in einem Separée sind die damals als skandalös empfundenen «Made in Heaven»-Arbeiten versteckt, die den Künstler beim Sex zeigen. An den Wänden hängen die wenigen von Hand gemalten Arbeiten aus den 90er Jahren aus der «Celebration»-Zeit und die collageartigen «Easyfun»-Bilder um 2000, bei denen Hintergrund und Hauptmotiv nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.
Ist das jetzt Kitsch? Sind seine Arbeiten banal? Bei der von Kamerateams umlagerten Pressekonferenz am Dienstag widersprach Koons ungefragt seinen Kritikern: «Das sind Begriffe des Urteilens», sagte der 57-Jährige. «Ich glaube nicht an Urteile.» Seine Arbeiten seien geradezu ein Plädoyer gegen Urteile. «Meine Werke sollen den Betrachter aufregen und stimulieren», sie seien «eine Feier des Moments». Er mache Kunst im Gedanken an «den Moment, an dem wir auf dem Sterbebett liegen und unseren letzten Atemzug tun». An diesem Punkt dächten viele: «Hätte ich mir nur die Freiheit genommen...»