Torjubel als Performance: Fußballer immer kreativer
Karlsruhe/dpa. - Die Fußball-Stars machen aus dem Torjubel immer häufiger eine Performance. Jubel, Trubel, Heiterkeit wird es auch bei der Europameisterschaft heißen: Der Kreativwettbewerb «Wer feiert sich am schönsten?» läuft vom ersten Treffer an.
Joachim Löw gefällt's, dass die Profis längst nicht mehr wie früher nur die Arme hochreißen. «Natürlich. Fußball ist ein sehr emotionales Spiel - da sollte man auch emotional jubeln können», sagte der Bundestrainer der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Man darf bei aller Ernsthaftigkeit, Wichtigkeit und bei aller Akribie nie vergessen: Fußball soll auch Spaß machen.»
Bremens Brasilianer Diego findet «wirklich», dass man diesen Moment, wo sich die Kugel ins Netz senkt, mit einem Orgasmus vergleichen kann. «Ein Tor vor vollen Rängen in einem wichtigen Spiel - ich wüsste nicht, wie man das anders beschreiben könnte», sagte er der Zeitschrift «11 Freunde».
Dennoch behält so mancher Profi in dem ersehnten Moment kühlen Kopf und spult sein Ritual ab. Die Geste von Bundesliga- Torschützenkönig Toni kennt mittlerweile jeder Fan: «Avete capito?» - sinngemäß: «Habt ihr alle gesehen, wie genial das war?» soll seine Drehbewegung mit der Hand bedeuten. Brasiliens Superstar Ronaldinho ging einst mit dem Surfergruß auf Eroberungskurs, schwimmt aber inzwischen nicht mehr auf der Erfolgswelle. Auch den Salto von Miroslav Klose sah man zuletzt kaum noch, doch bei der EM kann der Bayern-Angreifer wieder seine Treffer- und Turnkünste unter Beweis stellen. Beim Afrika-Cup jonglierte Ägyptens Mohamed Zidan mit seinen Schuhen, beim HSV bekam er dafür kein Bein auf den Boden.
«Fußballfreude ist anstrengend geworden. Schon wirkt mancher Kicker, als trainiere er den Torjubel mehr als den Torschuss», klagte kürzlich die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» und zählte genervt auf: Säge und Salto, Eisenbahn und Eckfahnentanz, Babyschaukel und Bauchrutscher, Füße küssen, Schuhe putzen. «Und immer wieder diese seltsame Lust, sich das Trikot vom Leib zu reißen. Kleiner Tipp: Schaut doch mal euren Fans beim Jubel zu. Der ist echt.»
Sich auf die Brust und aufs Vereinsabzeichen klopfen - eine mitunter scheinheilige Aktion. Für so manchen Ex-Nationalspieler symbolisiert dies auch den Werteverfall im heutigen Profifußball. «Mein Herz für den Verein - und drei Wochen später sind sie weg», kommentierte der 60 Jahre alte Bernhard Dietz, Europameister von 1980, im «kicker» diese Ausdrucksart.
Mit Jubel kann man auch Politik machen - und eine kleine Demonstration starten. Bielefelds Jonas Kamper flitzte nach einem Jokertor wieder zurück auf die Bank und setzte sich dort mit vielsagender Miene wieder hin. Mit Toren kann man ebenso Fußballgeschichte schreiben. Mit Torjubel zeichnet man sein Profil. Was wäre Jürgen Klinsmann in England ohne seinen «Diver» (Taucher) gewesen? Was Kameruns Volksheld Roger Milla ohne seine Tänze um die Eckfahne? Und was Giovane Elber ohne seine grandiose Geste nach dem 11. September 2001: Da malte er mit den Händen eine Friedenstaube in die Luft.
Die Torbejubler als freischaffende Künstler, denen freilich Grenzen gesetzt sind. Der Weltverband FIFA verbietet es, dass die Spieler ihr Trikot nach einem Treffer ausziehen, weil in manchen Kulturen nackte Oberkörper verpönt sind. Im Überschwang der Gefühle tun es viele trotzdem. Aachens Christian Fiel wurde gegen Köln verwarnt, weil er sich seines Hemdes entledigt hatte. «Am liebsten hätte ich mir auch noch die Hose ausgezogen», meinte er noch nach dem 3:2-Sieg gegen Köln freudetrunken.
Voll in die Hose ging im vergangenen Herbst der Griff des Kolumbianers Leider Preciado, der nach einem Tor vor die Fankurve rannte und sich in den Schritt griff: Wegen der obszönen Geste wurde er für sechs Spiele gesperrt. Wegen eines ähnlichen Vorfalls wurde der Vertrag des Franzosen Pascal Nouma 2003 mit Besiktas Istanbul gar aufgelöst.
Nicht die feine englische Art: Robbie Fowler war einst von den Fans des FC Everton verspottet worden, weil ihn Boulevardzeitungen zuvor des Drogenkonsums bezichtigt hatten. Nach einem verwandelten Elfmeter kniete der Stürmer des FC Liverpool an der mit Kreide markierten Außenlinie nieder und tat so, als wü1rde er Kokain schnupfen - sechs Partien Zwangspause.