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Thomas Springstein Thomas Springstein: «Brunnenvergifter» und Trainer des Jahres

Von Andreas Schirmer 09.01.2006, 09:18

Magdeburg/dpa. - Die Karriere des Leichtathletik-Trainers ThomasSpringstein verlief im Zickzackkurs und bewegte sich in denGrenzbereichen des Sports. Nach einem Studium an der DeutschenHochschule für Körperkultur und Sport (DHfK) in Leipzig übernahm er1984 beim SC Neubrandenburg, einem der DDR-Leistungszentren, dasTraining der Sprinter. Dazu gehörten auch Katrin Krabbe und diedamals erst 13-jährige Grit Breuer. Sechs Jahre später bei derEuropameisterschaft in Split holten die von ihm betreutenAthletinnen, zu denen auch Manuela Derr gehörte, insgesamt sechsGoldmedaillen für die letztmals als eigenes Team angetretene DDR-Mannschaft. Drei Titel gewann allein Katrin Krabbe.

Die Sprint-Herrlichkeit unter der Regie von Springstein setztesich 1991 bei der Weltmeisterschaft in Tokio fort, wo Krabbe die 100und 200 m gewann sowie Breuer Zweite über 400 m wurde. In den altenBundesländern beobachteten seine Trainerkollegen diesen Leistungsboomaber auch mit Argusaugen, zumal sich Springstein mit seinen Starsgern an entlegene Orte zurückzog und - wie manche mutmaßten - denDoping-Kontrollen entzog. «Während wir Trainer aus der Ex-DDRLeistungen bringen, ruhen sich die Westtrainer auf ihren Lorbeerenaus», konterte der Diplom-Sportlehrer die Kritik und Verdächtigungen.

Im Frühjahr 1992 wurde es erstmals brenzlig für Springstein undseine Sprinterinnen. Bei einer unangemeldeten Trainingskontrolle inSüdafrika kam es zu Unregelmäßigkeiten. Der damalige Leiter desKölner Doping-Analyselabors, Manfred Donike, kam zu dem Ergebnis,dass die Proben manipuliert worden waren. Der von drei seinerLäuferinnen abgegebene Urin war identisch. Am Ende konnte ihnen dieManipulation auf Grund eines Formfehlers nicht nachgewiesen werden.

Zum Skandal kam es im Juni 1992, als Springsteins Sprinterinnenbei einem Doping-Test in Zinnowitz das Asthmamittel Spiropent, dasden anabolen Wirkstoff Clenbuterol enthält, nachgewiesen wurde. Da esnicht auf der Liste der verbotenen Doping-Mittel stand, konntenKrabbe und Breuer nur wegen Medikamentenmissbrauchs belangt und fürelf Monate gesperrt werden. Der Leichtathletik-Weltverband IAAFverlängerte den Bann jedoch auf drei Jahre - unrechtmäßig, wie dieerfolgreiche Schadenersatzklage von Katrin Krabbe ergab: Die IAAFmusste ihr eine Million Mark zahlen.

Springstein, der als Drahtzieher der Clenbuterol-Affäre galt,blieb ohne Strafe. Er entzog sich der Sportgerichtsbarkeit durchAustritt aus dem SC Neubrandenburg und musste nur mit dem Etikett«Brunnenvergifter» leben, das ihm der Präsident des DeutschenSportbundes (DSB), Manfred von Richthofen, angeheftet hatte.

Der umstrittene Coach erwies sich dennoch als Stehaufmännchen undfeierte nach der Sperre seiner Lebenspartnerin Grit Breuer einerfolgreiches Comeback. 1997 sorgte Breuer bei der WM alsSchlussläuferin der 4 x 400-m-Staffel für Gold, gewann 1998 zwei EM-Titel und bei der Europameisterschaft 2002 in München Silber über 400m und erneut Gold mit der Staffel. Damit hatte sich Springstein jeneAnerkennung verschafft, die ihm lange im DLV versagt blieb: Denn Ende2002 wählten ihn die Teamleiter des Verbandes zum «Trainer desJahres».

Dabei hatte er noch im August 1997 seine Philosophie vom Machbarenim Sport kundgetan: Für ihn fange Doping «in dem Moment an, wo mangegen das Reglement verstößt», sagte er in einem Interview. «Es gehtum Geld und Rekorde.» Ein Sport ohne Doping sei «ein Traum, das wirdman nicht erreichen».