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Thomas Köhler Thomas Köhler: Olympiasieger, Trainer, Funktionär

Von Ralf Jarkowski 14.09.2010, 14:03

Berlin/dpa. - In der DDR war er ein gefeierter Sport-Star, nachder Wende ging sein Stern schnell unter. In seinem späten Beicht-Buch«Zwei Seiten der Medaille», packt Thomas Köhler aus: SelbstMinderjährige wurden im DDR-Sportsystem mit «unterstützenden Mitteln»gedopt.

Als Köhler 1964 zum ersten Mal Olympia-Gold gewann, war er 23Jahre alt. Zehn Jahre zuvor hatte er in Oberwiesenthal sein erstesRodel-Rennen bestritten. Der Schüler zahlte Lehrgeld - und wurdeLetzter. Zum letzten Mal in seinem Leben: Denn als Athlet, Trainerund Spitzenfunktionär des DDR-Sports stand Thomas Köhler zumeist inder ersten Reihe oder an vorderster Front. Zweimal war der gebürtigeSachse Rennrodel-Olympiasieger, viermal holte er WM-Gold.

Außerhalb des Eiskanals ging es später steil nach oben. Von 1969bis 1976 feierte Köhler als Rennschlitten-Cheftrainer weitereErfolge, er studierte, promovierte, war als Vizepräsident desDeutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) mitverantwortlich für denLeistungssport.

Lange galt der nur 1,71 Meter große Zwickauer sogar als«Kronprinz» von DDR-Sportkönig Manfred Ewald. Doch mit der Wende kamdas Ende - Köhler spielte im gesamtdeutschen Sport keine Rolle mehr.Ende Juni feierte er seinen 70. Geburtstag, heute lebt er als Rentnerin Berlin.

Seine Karriere war bemerkenswert, wenn anfangs auch Zufall undGlück mitspielten. Köhler wuchs im sächsischen Beierfeld auf, warzunächst Leichtathlet, Turner und Handballer. Schon mit 17 schaffteer den Sprung in die DDR-Auswahl. Seine WM-Premiere ging 1961 nochdaneben (Platz 28) - aber im folgenden Jahr schaffte Köhler denDurchbruch: Im polnischen Krynica wurde er 1962 erstmals Weltmeister.1963 stürzte er auf derselben Bahn so schwer, dass er wegen einerKieferverletzung weder an der WM noch an den gesamtdeutschen Olympia-Ausscheidungen für 1964 teilnehmen konnte.

Doch Köhler hatte Glück, denn nach zähen Verhandlungen erreichtedie DDR-Führung eine «Quotenregelung». Beide nationalen Verbändekonnten die gleiche Starterzahl nominieren - so rutschte Köhler nochins Olympia-Team. Bei den Olympischen Winterspielen 1964 in Innsbruckrechtfertigte er seine Nominierung und sicherte sich Gold. Keine 3/10Sekunden trennten ihn von seinem Oberwiesenthaler TrainingskollegenKlaus Bonsack, mit dem er vier Jahre später im Doppel seinen zweitenOlympiasieg feierte.

In seiner Zeit als Cheftrainer regnete es Medaillen für die DDR-Rennrodler. Höhepunkt waren die Winterspiele 1972 in Sapporo: DreimalGold, acht von neun Medaillen. Ein Fernstudium an der DeutschenHochschule für Körperkultur in Leipzig (DHfK) schloss der gelernteMaschinenschlosser als Diplom-Sportlehrer ab; von 1976 bis 1980besuchte er die Parteihochschule der SED und promovierte. LogischesThema: Schlittensport.

1981 wurde der Vater von zwei Kindern zum DTSB-Vizepräsidentengewählt. Köhler war auch Abgeordneter der DDR-Volkskammer. Bei denWinterspielen 1984 (Sarajevo) und 1988 (Calgary) fungierte er alsChef de Mission. Von 1969 bis 1990 war der ehemalige SpitzensportlerPersönliches Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee (NOK) derDDR.

Nach der Wende wurde Köhler Marketingchef eines führendenFeinkostunternehmens. Eine Mitschuld an den Auswüchsen des DDR-Hochleistungssport hatte er eingeräumt - dennoch habe er Wertvollesgeleistet. Zehn Jahre nach der Wende wurde Ewalds Stellvertreter zueiner Geldstrafe von 26 400 D-Mark verurteilt, wegen derVerabreichung von «unterstützenden Mitteln». So wurde Doping mitAnabolika umschrieben. Köhler musste nicht vor Gericht erscheinen.Das Urteil wurde allein aufgrund schriftlicher Zeugenaussagengefällt.