Tennis Tennis: Becker feiert Bergfest
Hamburg/dpa. - Aber mehr noch muss BorisBecker in diesen Momenten darüber «schmunzeln, wie ich mich veränderthabe». Aus dem rotblonden Jüngling ist längst ein vielbeschäftigterGeschäftsmann und stolzer Vater dreier Kinder geworden, der trotzreichlich Tiefschlägen nie aufgegeben hat und inzwischen selbst vonAlice Schwarzer als «toller Mann» bezeichnet wird. An diesemDonnerstag feiert der «17-jährigste Leimener», der am 7. Juli 1985mit seinem ersten Wimbledonsieg das deutsche Tennis wachgeküsst hat,seinen 40. Geburtstag.
«Mit dem Wimbledonsieg ist man natürlich gebrandmarkt fürs Leben»,erklärt Becker in einem exklusiven Interview mit der DeutschenPresse-Agentur dpa. Die kritischen Blicke der Öffentlichkeit habenihn seitdem nicht mehr losgelassen. Kein Schritt blieb unbeobachtet;kein Wort, das nicht auf die Goldwaage gelegt wurde. Erst jetzt, wo«ich fünf Jahre in der Schweiz lebe, hat sich vieles beruhigt».
Das rastlose Reisen kreuz und quer durch die Welt hat sichfreilich noch immer nicht geändert. «Es ist mittlerweile so, dass ichliebend gerne weniger reisen würde; dass es zunehmend richtig nervt»,sagt Becker. Wie schön fände er es, wenn die Familie mehr bei ihmsein könnte. Doch die Realität ist anders: Die Söhne Noah Gabriel (13Jahre) und Elias Balthasar (8) leben bei seiner geschiedenen FrauBarbara in Florida; Tochter Anna (7) in London. Das erhoffteSorgerecht für sie hat Becker zwar noch nicht erstritten, doch «derRichter hat gesagt, dass es regelmäßig Kontakt vom Vater zu derTochter geben wird».
Kinder sind der Mittelpunkt in Beckers Leben. «Ich kann mir garnicht mehr vorstellen, wie es war, keine Kinder zu haben», sagt derGlobetrotter, der auch als Chairman der «Laureus Sport for GoodFoundation» Projekte für benachteiligte Kinder und Jugendlichebegleitet. Ein bisschen schuldig fühlt sich der geschiedene Mann miteiner unehelichen Tochter schon, weil er seinen Kindern nicht dieperfekte Familie bieten kann. «Absolut», gesteht er im dpa-Gespräch,«ein schlechtes Gewissen spielt auch eine Rolle. Das ist keine Frageund kein Geheimnis.»
Viel Hohn und Spott musste er einstecken. Auch deshalb hat sichBecker in den vergangenen Monaten hingesetzt und mit der Hilfe vonExperten eine Art Eltern-Ratgeber mit dem Titel «Was Kinder starkmacht» verfasst. «Das Buch ist nicht nur ein Ratgeber, es hat auchbiografische Züge. Viele, die keinen wirklichen Einblick in meinLeben haben, meinen, sich dennoch ein Urteil über meine Familie undmich bilden zu müssen. Da wollte ich es mir nach sieben Jahren nichtnehmen lassen, mich selbst zu äußern.»
Das «Lebensmodell» Familie bestimmt mehr und mehr die PlanungenBeckers, der laut über eine neue Heirat nachdenkt. Auch dies dürfteein Grund dafür sein, dass er sich überraschend von Freundin SharlelyKerssenberg getrennt hat. «Wir haben einfach gemerkt, dass wir fürverschiedene Lebensmodelle stehen. Da muss man dann auch mal ehrlichsein», wurde Becker am Mittwoch in der Illustrierten «Revue» zitiert.Was auf den Tennisplätzen dieser Welt los war, istSportgeschichte. 49 Turniere und den Daviscup hat Becker gewonnen -vor allem aber drei Mal in Wimbledon. Auch als Daviscup-Teamchef,Mentor des Mercedes Junior-Teams und Chairman des Rothenbaum-Turniersin Hamburg hatte er in der Tennis-Szene Erfolg. «Vielleicht mache ichso was mit 50 noch einmal. Die Messe ist ja noch nicht gelesen.»
Sporadische Auftritte mit den Tennis-Senioren veranstaltet derWahl-Schweizer heutzutage sogar selbst - wie etwa in der Woche vorWeihnachten in Düsseldorf. In Bahrain baut Becker gerade eine kleineAkademie, das «Boris Becker Tennis-Programm», auf. Dass ihn dasGeschehen im Weißen Sport nach wie vor interessiert und er auchAuswüchse wie Wettskandal, Doping und angebliche Giftanschläge genauverfolgt, versteht sich von selbst. «Wir haben uns in Deutschlanddarüber beschwert, nichts mehr über den Tennissport zu lesen. Jetzttun wir das - leider aus den falschen Gründen.»
Doch Beckers Sicht ist mehr und mehr die eines Außenstehenden.Denn mit dem Dasein eines Tennisprofis hat er längst abgeschlossen.«Ich bin dankbar, dass ich diesen Beruf habe ausüben dürfen. Ich binaber genauso dankbar, dass ich es heute nicht mehr tun muss. Alles zuseiner Zeit.» Den Elan von damals freilich will er sich auch imfünften Lebensjahrzehnt bewahren.
«Ich wäre froh, wenn ich im gleichen Tempo und mit der gleichenFreude und Leidenschaft alles bis 50 noch so weiter machen könnte.Ich will jetzt nicht anfangen nachzulassen oder zu schwächeln. Ichhoffe aber, mehr Zeit mit meinen eigenen Kindern verbringen zukönnen.» So wie am Donnerstag, wenn er «mit der Familie und 50Freunden in London feiern» wird. «Nichts Verrücktes», verrät«Jubilar» Becker.