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Tatort: Weil sie böse sind

Von Ira Schaible 02.01.2010, 23:15

Frankfurt/Main/dpa. - Frankfurt/Main ­ Ein Bruder handelt mit illegal eingeführten Antiquitäten, der zweite ist eine Größe in der Frankfurter Unterwelt, und die Schwester vermehrt das Geld der Familienstiftung mit Waffengeschäften.

Die drei skrupellosen, auch sadistischen und steinreichen Staupens werden in dem neuen «Tatort» des Hessischen Rundfunks (hr) nach und nach getötet. Einfach: «Weil sie böse sind» - wie der Titel des ARD-Krimis nahe legt, der am Sonntag (3. Januar) um 20.15 Uhr gezeigt wird.

Gegenspieler der reichen und mächtigen Familie Staupen ist der alleinerziehende Vater eines autistischen Sohnes, Rolf Herken (Milan Peschel). Finanziell am Ende und ohne private Perspektive besucht er den ältesten Staupen-Bruder, den Antiquitätenhändler Reinhard (Markus Boysen), in dessen Schloss, um ihn um Geld für eine Therapie für seinen Sohn zu bitten. Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, führt er abstruse genealogische Erkenntnisse über die Linie beider Familien an. Reinhard Staupen reagiert eiskalt und beleidigt den Bittsteller ­ so lange, bis ihn dieser im Affekt mit einer antiken Waffe erschlägt.

Herken macht sich keine Mühe, seine zahlreichen Spuren am Tatort zu verwischen, geht nach Hause und wartet voller Schuldgefühl auf seine Strafe («Ich hätte mich längst gestellt, wenn ich meinen Sohn nicht so lieben würde.»). Doch es kommt anders: Reinhard Staupens gedemütigter Schicki-Micki-Sohn Balthasar (Matthias Schweighöfer) schafft die Herken belastenden Beweise beiseite und sucht die Nähe zu dem Mann, der ihm «den größten Gefallen meines Lebens getan hat». Der Sohn übernimmt die Regie einer skurrilen, witzigen und spannend- unterhaltsamen Geschichte.

Das brillante Spiel von Matthias Schweighöfer und Milan Peschel, die sich im Film aus völlig unterschiedlichen Milieus näher kommen - und im wirklichen Leben privat befreundet sind - machen diesen gelungenen «Tatort» aus. Gut und Böse, Recht und Gerechtigkeit werden auf den Kopf gestellt, Täter zu Opfern, Opfer zu Tätern. Die Guten gewinnen, sind aber nicht im Recht, und ob sie am Ende nicht doch noch verlieren, bleibt offen.

Der «Tatort» von Regisseur Florian Schwarz und Autor Michael Proehl, die schon einige Filme zusammen gedreht haben - darunter den hr-«Tatort: Waffenschwestern» - glänzt auch mit der Musik, den Bildern, originellen Schnitten, sowie witzigen Anspielungen. So untermalt die Musik die Geschichte nicht nur, sondern hat auch inhaltliches Gewicht, etwa weil ein Bob-Dylan-Konzert ein entscheidender Moment in der Familie Staupen ist.

Kaffee ist auch Untermalung und Inhalt zugleich: Das Getränk spielt eine Rolle im Miteinander von Kommissar Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) und seiner Kollegin Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki), illustriert desolate Zustände in der chronisch überlasteten Polizeitruppe und unterstreicht die Dekadenz «der Grande Dame» der Frankfurter Society, Freya Staupen (Adele Neuhauser), «deren Stiftung das kulturelle und soziale Leben der Stadt trägt». Kaffee gibt der Geschichte auch ihre letzte Wendung, die die Kommissare ratlos zurücklässt.

Dellwo und Sänger ermitteln in ihrem 17. gemeinsamen Fall planlos und übersehen wichtige Beweise, weil sie mit sich selbst beschäftigt sind. Im Buhlen um die Nachfolge ihres Chefs Rudi Fromm (Peter Lerchbaumer), des Leiters der Mordkommission, beäugen sie sich eifersüchtig und «beharken sich wie im Kindergarten» (Fromm). Bis zum Schluss wissen die Zuschauer mehr als die orientierungslosen Ermittler, die sich in ihrem vorletzten gemeinsamen «Tatort» auf einen Nebenschauplatz zurückziehen.

Joachim Król wird künftig als einer der Nachfolger des Duos zu sehen sein, dessen letzter Fall im Herbst ausgestrahlt werden soll. Der 52-jährige Charakterdarsteller aus TV- und Kinofilmen hat als Commissario Brunetti und Essener Ermittler Lutter auch schon Polizeirollen übernommen. Wer mit ihm zusammen ermitteln wird, will der hr bis zum Jahresende entscheiden. Außerdem schickt der Sender noch einen weiteren «Tatort»-Ermittler ins Rennen: Der gebürtige Südhesse Ulrich Tukur wird als LKA-Beamter Felix Murot Verbrecher jagen, als Einzelgänger; wie oft er das tun wird, ist aber noch ungewiss. (dpa)